I. Der Werdegang Rommels


Erwin Rommel wurde am 15.11.1891 im württembergischen Heidenheim an der Brenz auf der Ostalb geboren. Er wuchs in der Nachbarstadt Aalen auf. Sein Vater war stellvertretender Schulleiter. Rommel wurde im oberschwäbischen Weingarten im Infanterieregiment "König Wilhelm I. Nr. 124" Berufssoldat. Im ersten Weltkrieg erzielte er mit aus dem Schwäbischen stammenden Gebirgsschützen in Italien gegen den allerdings kriegsmüden italienischen Gegner herausragende Erfolge. Er erhielt - freilich erst nach einer Remonstration - den äußerst selten verliehenen Orden „Pour le Mérite“. Seine Erfahrungen veröffentlichte er 1937 in dem Buch "Infanterie greift an Erlebnis und Erfahrung" (Originalausgabe: Potsdam 1937). Es handelt sich um ein viel beachtetes, in mehrere Sprachen übersetztes "trockenes" Sachbuch mit plausiblen militärischen Schlussfolgerungen aus den geschilderten Gefechtssituationen. Im Vorwort (S. 5) betont Rommel die Überlegenheit der unteren deutschen Führung im Vergleich zu der der Kriegsgegner. Das folgt indes schon aus den geschilderten Kampfhandlungen. Die Betonung dieser Überlegenheit erscheint als Ausdruck von Rommels Hang zur Selbstdarstellung.

Im zweiten Weltkrieg erreichte er 1940 bis 1942 große Erfolge in Frankreich und Nordafrika. Als Kommandeur der 7. Panzerdivision gelangen ihm schnelle und raumgreifende Vorstöße in Frankreich in die Normandie und an die Atlantikküste. Ende Juni 1940 kurz vor Kriegsende wurden bei Saint Valery in der Normandie 10.000 britische Soldaten der schottischen 51. Highland Division gefangengenommen (Heidenheimer Zeitung 25.6.2015; dort werden fälschlicherweise 31.000 Gefangene genannt; Saint Valery ist heute Partnerstadt von Sontheim/Brenz (Kreis Heidenheim)).

Rommel ist bei der Truppe wegen seiner Nähe zum einfachen Soldaten und seiner Führungsstärke an vorderster Front überwiegend sehr angesehen (von Luck, Mit Rommel an der Front 2. Aufl. 2001 S. 54 bis 74 und S. 111 bis 166; mit zahlreichen Bekundungen eines Zeitzeugen). Seine fordernde, gelegentlich cholerische Art und seine Unduldsamkeit provozierten aber auch größere Kritik (Nachweise bei Lieb Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte (VfZ) 2013, S. 303, 311 f.; insbesondere Niederschrift von Oberleutnant Harald Kuhn, Die Oase (Verbandsblatt des Deutschen Afrika-Korps e.V.)3/2020 S. 26, 28 f.; Einzelheiten in Die Oase 3/18 S. 26, 30 f.; 2/19 S. 26, 28 bis 31; 3/19 S. 26, 1/20 S. 26, 29 bis 31 ; 3/20 S. 26, 28 bis 31 "Schlussbetrachtung"). Der britische Kriegsgegner zollte Rommel großen Respekt.

Rommel übernahm am 27.2.1941 den Oberbefehl über das deutsche Afrikakorps. Einen Befehl des OKW (Oberkommando der Wehrmacht) vom November 1941, freifranzösiche Soldaten, denen der Kampf gegen Deutschland durch den Waffenstillstandsvertrag vom 22.6.1940 zwischen Deutschland und Frankreich verboten war, als Freischärler zu erschießen, wurde nicht ausgeführt. Diese Soldaten kamen in deutsche und anschließend italienische Kriegsgefangenschaft (Lieb Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte (VfZ) 2013, S 303, 314 mwN). Dass der weitergehende, am 9. Juni 1942 bei der Panzerarmee Afrika eingegangene "Führerbefehl", deutsche Flüchtlinge, die auf freifranzösicher Seite kämpften und überlebten, sofort und ohne weiteres zu erschießen, befolgt wurde, ist ebenfalls nicht bewiesen (Lieb aaO S. 314 f.). Im September 1942 hatte ein britisches Kommandounternehmen deutsche Juden in deutschen Uniformen eingesetzt, die gefangengenommen wurden. Die Verwendung deutscher Uniformen stellte einen schweren Verstoß gegen das Kriegsrecht dar. Der blieb für die Betroffenen ohne Folgen (Lieb aaO S. 317 mwN). Die im nachfolgenden Kommandobefehl des OKW (Oberkommando der Wehrmacht) vom 18.10.1942 dann angeordnete Erschießung aller britischer Kommandosoldaten, unabhängig davon ob sie (britische) Uniformen getragen hatten oder nicht, wurde im Befehlsbereich Rommels ebenfalls nicht befolgt. Die Kommandosoldaten wurden als normale Kriegsgefangene behandelt. (Lieb, aaO S. 315 bis 317; Friedrich Ruge, Rommel und die Invasion Stuttgart 1959 S. 161). Eine Erfassung gefangengenommener jüdischer Soldaten in deutschen Lagern erfolgte in Nordafrika und Frankreich unter Rommels Kommando nicht (Lieb aaO S. 317 mwN).

Rommels Kriegsführung wird im Einzelnen dargestellt von Peter Lieb, Krieg in Nordafrika 1940 bis 1943 Reclam 2018 (Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Fachbereich Publikationen (0817-01)).

Wegen seiner Erfolge in Afrika wird er von der NS-Propaganda zum Kriegshelden stilisiert, der Mythos vom "Wüstenfuchs" entsteht. Rommel nimmt diese "Instrumentalisierung" durch die NS-Propaganda hin und unterstützt die Inszenierung seiner Person durch größeres eigenes Engagement. Jenseits des Militärischen machte Rommel aber nicht mit. Die Veröffentlichung eines für ihn vorgesehenen NS-geschönten Lebenslaufs lehnte er ab.

Gegen Ende 1942 wendet sich das Kriegsgeschehen. Die deutsche Panzerarmee verliert die entscheidende dritte Schlacht bei El Alamein (Ägypten) gegen den inzwischen stark überlegenen britischen Gegner. Hitler hatte Rommel am 3.11.1942 befohlen durchzuhalten:

"...Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass der stärkere Wille über die stärkeren Bataillone des Feindes triumphierte. Ihrer Truppe können Sie keinen anderen Weg zeigen, als den zum Siege oder zum Tode gez. Adolf Hitler" (Ralf Georg Reuth Rommel Das Ende einer Legende 2. Aufl. München 2012 S. 73f.; der gesamte Wortlaut von Hitlers Befehl ist wiedergegeben bei Lucie Rommel, Fritz Bayerlein (Hrsg.) Krieg ohne Hass 2. Aufl. Heidenheim 1950 S. 268).

Die Alternative Sieg gab es auf Grund der miltärischen Kräfteverhältnisse nicht. Es war deshalb ein Befehl zum Sichtötenlassen, den Rommel nach eintätigem Zögern nicht weiter befolgte. Rommel zog seine Truppen in geschickten Abwehrkämpfen bis nach Tunesien zurück. Letztlich überlebten 300.000 deutsche und italienische Soldaten als Kriegsgefangene.

Rommel verlangte am 28.11.1942 von Hitler einen Afrikabesuch, bei dem Hitler zeigen sollte, wie man mit Gewehren gegen britische Panzer siegen könne (Maurice Philip Remy Mythos Rommel München 2004 S. 149 f.). Rommel plädierte bei Hitler mehrfach vergeblich für den kompletten Abzug aus Nordafrika (Lieb aaO S. 110; Althaus in Die Welt 11.5.2023). Am 13.5.1943 beendeten die deutschen Truppen - ohne Munition und Treibstoff - die Kampfhandlungen. Rommel war schon zuvor nach Deutschland zurückbefohlen worden, auch um eine von Romel für möglich gehaltene Kapitulation zu vermeiden (Althaus aaO).


War Rommel bis dahin ein großer Bewunderer Hitlers, so kommen ihm seit den unsinnigen Durchhaltebefehlen jedoch erste Zweifel. Diese werden mehrfach durch Hitler überwunden, der sich um die Gunst seines jüngsten Generalfeldmarschalls mit utopischen Versprechungen über wirkungsvolle einsatzbereite neue Waffen und Riesenmengen Nachschub bemüht. Wenn sich Rommel der Gunst Hitlers sicher war, vertraute er diesen Versprechungen eher und sah die militärische Lage weniger skeptisch (Maurice Philip Remy aaO S. 216f.; 236; 265).

Gegenüber Generalfeldmarschall Erich von Manstein, der an ein im Krieg noch zu erringendes Remis glaubte, äußerte Rommel schon am 13. Juli 1943, dass das Ende des Krieges eine einzige Katastrophe sein werde (Alexander Stahlberg, Die verdammte Pflicht 8. Auflage Berlin/Frankfurt 1997, S. 339). Rommel erklärte sich bereit, sich von Manstein zu unterstellen (Stahlberg aaO). An eine Aufgabe des Oberbefehls durch Hitler bei anhaltenden militärischen Misserfolgen glaubte er - im Gegensatz zu von Manstein - allerdings nicht (Stahlberg aaO).


Rommel war vom 25.7. bis 5.11.1943 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B in Norditalien. Das war das einzige Kommando Rommels, in dem er in völkerrechtswidrige Befehle eingebunden sein konnte (Lieb VfZ aaO, 328; dagegen Remy aaO S. 191, 191 R, 192). Die Bewertung des "Bandenbefehls" vom 23. 9. 1943 (fotografiert abgedruckt bei Remy aaO S. 192; zitiert von Lieb aaO S. 322) ist indes notwendig vielschichtig-komplex (Lieb aaO S. 323 f.) und hat nicht zu einer Brutalisierung des Vorgehens gegen die ehemals verbündeten Italiener geführt (Lieb aaO S. 324; dazu näher unter VI. 10. Das Gedenken an Rommel in seiner Geburtsstadt Heidenheim Exkurs Stadt Aalen).


Rommel wird Ende 1943 Inspekteur und Anfang 1944 Befehlshaber der Heeresgruppe B in Frankreich. Unter seiner Führung werden an der Kanalküste Hindernisse zur Erschwerung einer alliierten Invasion errichtet und die deutschen Truppen neu ausgerichtet. Rommel hält zunächst die Verhinderung eines Vormarsches der Briten und Amerikaner für möglich. Nach der Invasion der Alliierten in der Normandie erkennen Rommel und sein Vorgesetzter Generalfeldmarschall von Kluge die Aussichtslosigkeit der Lage. Rommel fordert von Hitler unter dem 15.7. 1944, aus der aussichtslosen Kriegslage die Folgerungen zu ziehen. Dieses Schreiben wird von Generalfeldmarschall von Kluge am 21.7. zustimmend an Hitler weitergeitet. Darin wurde die Forderung erhoben, den Krieg im Westen zu beenden. Die Schreiben Rommels und von Kluges sind abgedruckt in Manfred Rommel, 1944 - Das Jahr der Entscheidung, 2010 S. 218 bis 222; ersteres auch bei Remy aaO S. 279f.).


Rommel traf Vorbereitungshandlungen für eine Beendigung des Krieges in Frankreich und warb um Gefolgschaft bei schwäbischen und bayerischen hohen Offizieren, zu denen er Vertrauen aus der landsmannschaftlichen Verbundenheit hatte (Remy aaO S. 283 bis 286 und 336 ff.; zu nach den Grundsätzen einer strafgerichtlichen Beweiswürdigung als bewiesen anzunehmenden Handlungen im einzelnen siehe V. sub IV 2). Über den verbrecherischen Charakter der Herrschaft Hitlers war sich Rommel in dieser Zeit im Klaren. Am 11.6.1944 sagte Rommel dem seinem Generalstab angehörenden Vizeadmiral Ruge: "Oben ist es bei uns leider nicht sauber. Die Abschlachtungen sind eine schwere Schuld" (Friedrich Ruge aaO S. 178); und am 25.6.1944: "Die Person Hitler ist nicht sauber, da er sich über das allgemeingültige Sittengesetz hinweggesetzt hatte. Das beweist der Fall der 50 englischen Offiziere, die aus einem Gefangenenlager ausbrachen und die er erschießen ließ, als sie wieder eingefangen waren" (Ruge aaO S. 191; aus indirekter Rede in direkte Rede zurückversetzt).


Rommel erhielt Kenntnis über Attentatspläne militärischer Widerständler, die ihn umwerben (Remy aaO S. 240, 277; hier V. sub IV 1.).

Wie sich Rommel im Einzelnen dazu verhalten hat, ist unter Historikern umstritten;

siehe Lieb VfZ 2013 S. 330 ff.; in Die Welt 25. 10. 2018 sieht Lieb Rommel auf Grund dreier Lieb neu bekannt gewordener Quellen “auf Seiten des Widerstandes“ und hält nach Auswertung der Aufzeichnungen des Widerständlers Rudolf Hartmann in Schweizer/Lieb Rudolf Hartmann und der militärische Widerstand in Frankreich ZMSBW Potsadam 2019 S. 75 die Aussage, Rommel habe von dem Staatsstreichversuch nichts gewusst, für nicht mehr haltbar.

Remy aaO S. 375ff. in Endnote zu Seite 277 sieht Rommel nach umfassender Würdigung – soweit ersichtlich – aller damals bekannter Quellen als zum Widerstand gehörend;

Reuth, Rommel Das Ende einer Legende 2. Auflage München 2012 konzediert S. 221, dass sich Rommel in einen Friedensschluss im Westen hätte einbringen wollen, hält indes die Bekundungen von Oberstleutnant von Hofacker über die positive Haltung Rommels zu Attentatsplänen für unglaubhaft und Rommel letztlich als im Offiziersgehorsam gefangenen Militär, des Widerstands unfähig (S.220). Das überzeugt schon wegen lückenhafter Quellenverwertung nicht; (siehe unten III. Beweiswürdigung durch Historiker und den wissenschaftlichen Dienst).

Nach einem Besuch des Widerständlers Oberstleutnant Dr. Caesar von Hofacker bei Rommel am 9.7.1944, entwarf der Kriegsverwaltungsrat Walter Bargatzky ein Schreiben Rommels an Feldmarschall Montgomery, den britischen Kriegsgegner Rommels in Nordafrika und jetzigen britischen Oberbefehlshaber in Frankreich (Nachweis bei Remy aaO S. 378 (Endnote 286) hier V. sub 2 b ). Rommel konnte auf dessen Verständnis hoffen. Der Ehrenhof des Heers verhandelte am 4. 10. 1944 über die Ausschließung des Generalstabschefs Rommels, dem späteren NATO-Befehlshaber der Landstreitkräfte in Mitteleuropa General Dr. Hans Speidel. Dem Ehrenhof war eine Aussage Speidels bei der geheimen Staatspolizei bekannt geworden, dass Speidel davon ausgegangen sei, dass sein Vorgesetzter Rommel die Attentatspläne weitergemeldet hätte. Das war aber nicht geschehen. Zu den Einzelheiten siehe unten V. Erwin Rommel und der "Widerstand" - eine juristische Subsumtion unter IV. 1 b).


Am 17.7. 1944 wird Rommel bei einem Flugzeugangriff schwer verletzt. Drei Tage später erfolgte das Attentat auf Hitler durch Oberst Schenk Graf von Stauffenberg.

Keiner der deutschen Generale hatte es gewagt, sich so gegen Hitler zu positionieren wie Rommel – im Reden und vor allem im Tun. Rommel ging das zunächst ob seiner Beliebtheit sicher geringe, dann aber das immer größer werdende Risiko ein, wegen Befehlsverweigerung und Hochverrats – letztlich mit der Todesstrafe – belangt werden zu können.

Rommel kommt nach seiner Verwundung auf Heimaturlaub nach Herrlingen bei Ulm.

Wegen belastender Aussagen von Beteiligten am Hitler-Attentat und von Mitwissenden hinsichtlich der Umsturzpläne gelangte Rommel in den Verdacht, ein Hochverräter gewesen zu sein.

Als eifriger Rommelgegner betätigte sich der Heidenheimer Oberbürgermeister Dr. Rudolf Meier. Dem waren mehrere kritische Äußerungen Rommels bis hin zu dessen Einschätzung über den zu verlierenden Krieg von dem Ulmer NS-Kreisleiter Wilhelm Meier erzählt worden, mit dem Rommel offen gesprochen hatte (Remy aaO S. 307 f. Nachweise in Endnoten dazu S. 380; daraus zitiert Sozialwissenschaftler Dr. Wolfgang Proske in Täter Helfer Trittbrettfahrer 3. Aufl. Gerstetten 2016 S. 119, 128 nur selektiv). OB Dr. Meier wandte sich an den „zuverlässigen“ NS-Parteigenossen, seinen Freund Karl Kronmüller, der NS-Kreisleiter in Heidenheim war. Kronmüller informierte den Parteisekretär Hitlers, Martin Bormann am 19.9.1944 über die Äußerungen Rommels. Dies drang bis zu Hitler vor. Der Autor Remy (Remy aaO, S.313) sieht diese Meldung mit ursächlich für die Rommel dann abgenötigte Selbsttötung vom 14.10.1944. Das ist indes nicht bewiesen (siehe unten V. IV 1 g).