II. Der Tod Rommels

Aktuelle Neuerungen in Fettschrift

Am Mittag des 14.10.1944 traten die Heeresgeneräle Wilhelm Burgdorf und Ernst Maisel in Herrlingen im Hause Rommels zur Exekution von Hitlers Todesurteil an. Dass hinter dem überbrachten „Angebot“, Selbsttötung mit Schonung der Familie oder - nur vorgeschoben - Tod nach Todesdurteil des Volksgerichtshofs eine Entscheidung Hitlers stand, ist evident. Kein Untergebener des Diktators hätte es wagen können, den bekanntesten General der Wehrmacht aufgrund eigener Entschließung zu behelligen. Hitler war nach dem Reichstagsbeschluss vom 26.4.1942 auch "berechtigt", wegen einer Pflichtverletzung eines Deutschen dessen Tötung als "angemessene Sühne" anzuordnen (Näher dazu unten V. III. 1.).

Manfred Rommel schildert die letzte Unterredung mit seinem Vater mit den Erwin Rommel offenbarten Optionen: "Dann sprach er mit Aldinger und mit mir. Ihm würde vorgeworfen, an der Verschwörung gegen Hitler beteiligt gewesen zu sein.. Die Herren hätten behauptet, es lägen genügend Beweise vor. Der Führer mache ihm im Blick auf seine Verdienste in Afrika das Angebot durch Gift zu sterben. Er werde dann ein Staatsbegräbnis erhalten. Falls er das Angebot annehme, würden die üblichen Maßnahmen gegen seine Familie nicht ergriffen und die Sache nicht weiterverfolgt. Es sei alles vorbereitet. Wenn er tot sei, werde er in ein Lazarett gebracht. Von dort aus würden wir benachrichtigt, dass er einem Gehirnschlag erlegen sei. Er habe sich entschlossen, das Angebot anzunehmen. Das gebe nicht völlige, aber eine gewisse Sicherheit. Man müsse schweigen, bis der Krieg zu Ende sei. Wenn die Wahrheit durchsickere, würden alle Mitwisser als gefährliche Zeugen beseitigt" (Manfred Rommel Trotz allem heiter aaO S. 67 f.).

Die mitgeteilte Aussage Erwin Rommels ist glaubhaft. Das geschilderte Geschehen entspricht den Zielen Hitlers und enthält eine zutreffende Lageeinschätzung durch Erwin Rommel, in die originelle und vielschichtige Details eingeflossen sind. Das sind anerkannte Glaubhaftigkeitskriterien. Es ist ausgeschlossen, dass Manfred Rommel sich das ausgedacht haben kann. Hinsichtlich der Darstellung Manfred Rommels besteht auch eine gewisse Aussagekontinuität im Blick auf seine Darstellung im Südkurier vom 4.5.1945 (siehe Remy aaO Endnote 313 S. 383) und eine gewisse Übereinstimmung mit Angaben des Adjutanten Rommels, Hauptmann Hermann Aldinger (Remy aaO Endnote 325 und 325-325 S. 387).

Rommel selbst rechnete drei Tage vor seinem Tod damit, dass er auf der von ihm verlangten Fahrt zum OKW nach Berlin umgebracht würde, wahrscheinlich unter Vortäuschung eines Unfalls (Friedrich Ruge Rommel und die Invasion Stuttgart 1959 S. 238 f.). Seine persönlichen Unterlagen hatte er in zwei Kisten bei seinem ehemaligen Regimentskameraden und Freund Oskar Farny in einem Schuppen im Hofgut Dürren vor dem Zugriff der Gestapo in Sicherheit bringen lassen (Einzelheiten unter V. Widerstand FN 10).

Die Alternative Volksgerichtshof existierte in Wahrheit nicht.

Dazu hätte es zunächst eines Verfahrens vor dem Ehrenhof des Heeres bedurft, um Rommel aus der Wehrmacht auszuschließen. Rommel unterstand nämlich als Soldat der Wehrstrafgerichtsbarkeit und hätte deshalb erst nach Ausschluss aus der Wehrmacht durch den von Hitler nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 eigens dafür errichteten "Ehrenhof" vor den Volksgerichtshof gestellt werden können. Ein Verfahren des Ehrenhofs wäre von der Besonderheit geprägt gewesen, dass Wehrmachtsgeneräle im Rang unter dem beschuldigten Generalfeldmarschall Rommel mit über diesen zu Gericht gesessen hätten. Solches hätte sich mit der im NS-Staat voll ausgeprägten Hierarchie in allen staatlichen und militärischen Ebenen nicht vertragen. Wie das Verfahren gegen Generalleutnant Dr. Speidel (siehe I und V sub IV 1 b) zeigt, steckte in einem solchen Verfahren auch inhaltlich ein Risiko für das NS-Regime. Ganz klar war der Ausgang eines solchen Verfahrens nicht. Das alles wollte Hitler sicher nicht hinnehmen.

Ein teilöffentliches Verfahren vor dem Volksgerichtshof gegen Rommel hätte dem NS-Regime nur geschadet.

Dass der in der Öffentlichkeit beliebteste Generalfeldmarschall Hitlers den Krieg verloren gegeben und zu den Widerständlern gehört hatte, durfte nie bekannt werden. Das hätte den vom Regime um jeden Preis verlangten Durchhaltewillen der Bevölkerung schwer angegriffen. Auch Rommel selbst hielt einen Prozess vor dem Volksgerichtshof für ausgeschlossen. Das wäre ein öffentliches Signal gewesen, dass der Krieg verloren sei (Manfred Rommel Trotz allem heiter aaO S. 65). Die wirkliche Todesbotschaft lautete deshalb abgenötigte Selbsttötung oder Tod auf unbekannte Weise (wie hier: Manfred Rommel, 1944 Das Jahr der Entscheidung Erwin Rommel in Frankreich 2010 S. 12; Remy aaO S. 337 f.). Linda von Kayserlingk-Rehbein weist in ihrer Dissertation Eine ganz kleine Clique? Berlin 2018 S. 518 zu Recht darauf hin, dass ein öffentlicher Prozess das vom NS-Regime kolportierte Bild der "kleinen Clique" der Widerständler in Frage gestellt hätte und dass "es sehr wahrscheinlich ist, dass das NS-Regime von der Involvierung dieser vier Personen (darunter auch Rommel) in die Umsturzplanungen wusste" (aaO S. 140; aaO S. 519 wird ohne Grund für die Abweichung formuliert "liegt die Vermutung nahe..."). Sie (damit auch Rommel) seien daher in den Tod gezwungen worden (aaO S. 519). Das NS-Regime hätte diese Erkenntnisse jedoch nicht in schriftlichen Quellen wie Ermittlungsberichten oder Prozessverhandlungen festhalten wollen (aaO S. 519). "Das Regime hatte offensichtlich ein gesteigertes Interesse daran, der Öffentlichkeit vorzuenthalten, dass auch sehr bekannte hohe Militärs enge Verbindungen zum Widerstand gehabt haben" (von Kayserlingk-Rehbein aaO S. 519). Dafür spricht auch die Parallele zu den in die Umsturzpläne involvierten Abwehrmitarbeiter und einen Teil der Verschwörer des 20. Juli. Diese Männer wurden ohne Prozess einfach ermordet (von Kayserlingk-Rehbein aaO S. 518).

Aus mehreren Gründen ist die hiervon abweichende Darstellung des vom Internationalen Militärgerichtshofs am 1.10.1946 zum Tode verurteilten Generafeldmarschall Wilhelm Keitel über die Herbeiführung von Rommels Tod nicht überzeugend.

Dieser hatte auf die Frage seines Verteidigers Dr. Dr. Otto Nelte hierzu ausgesagt (Walter Görlitz (Hrsg) Generalfeldmarschall Keitel Verbrecher oder Offizier Schnellbach 1988 S. 424): "Rommel wurde durch die Aussage eines Hauptbeteiligten eines Oberstleutnants aus dem Stabe des Militärbefehlshabers von Nordfrankreich v. Stülpnagel schwer belastet. Der Führer zeigte mir das Protokoll und ließ Rommel durch den Chef des Personalamts zu sich bestellen. Rommel lehnte ab, weil er nicht reisefähig sei. Darauf befahl der Führer die Entsendung seines Chefadjudanten und Personalchef Burgdorf mit Protokoll und Brief, den ich nach Hitlers Entwurf geschrieben habe. In diesem Brief wurde Rommel anheimgestellt, sich beim Führer zu melden, wenn er sich unschuldig fühle. Anderenfalls sei seine Verhaftung unabwendbar und seine Verantwortung vor Gericht."

Diejenigen, die die letzte halbe Stunde Erwin Rommels, wenn auch abwechselnd, miterlebt hatten, die Generäle Burgdorf und Maisel, Manfred und Lucie Rommel sowie Hauptmann Hermann Aldinger hatten weder die Übergabe eines Briefes noch die Übergabe eines Protokolls an Rommel bekundet. Rommel belastende Aussagen seien von Burgdorf lediglich vorgelesen worden (Zusammenstellung bei Remy S. 324 f. mit Endnoten 324 bis 326 S. 386f.). Protokoll und Brief wurden von niemandem übernommen und wurden nirgendwo aufgefunden. Dass Hitler für einen der Beteiligung am Umsturzversuch dringend Verdächtigen einen Briefentwurf gefertigt haben könnte, erscheint absolut fernliegend. Für einen dem Tod geweihten Verräter entwarf Hitler keinen Brief. Auch dass es einen Brief Keitels an Rommel gegeben hat, ist unglaubhaft. Er enthielte eine Dokumentation des Vorgangs, wie Rommel zu Tode kommen sollte. Das galt es aus Sicht der NS-Führung gerade zu verhindern. Zu bedenken ist schließlich, dass Keitels Aussagen nicht die eines neutralen Zeugen waren. Seine Aussagen dienten auch seiner Verteidigung. Ihm war nämlich eine Mitwirkung an Rommels Tötung vorgeworfen worden (Görlitz aaO). Er unterlag deshalb auch nicht der Wahrheitspflicht.

Lieb aaO S. 341 hält die Alternative Volksgerichtshof wegen vorliegender Beweise gegen Rommel für ernsthaft. Diese Wertung überzeugt nicht. Sie verkennt den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes.

Soweit Manfred Rommel (aaO S. 232) meint, Erwin Rommel hätte den sofortigen Tod auch gewählt, um Ermittlungen in seiner Heeresgruppe zu verhindern, mag das ein nachvollziehbares weiteres Motiv Erwin Rommels gewesen sein. Es verkannte aber auch den verbrecherischen Charakter des Regimes. In der NS-Dikatur konnte niemand Vorgänge verhindern, die dem Willen des Regimes entgegenstanden.

Das Rommel überbrachte wahre "Angebot" sofortiger Tod durch Gift bei Schonung der Familie oder Tod auf unbekannte Weise ist in der ersten rechtlichen Einordnung ein Totschlag in mittelbarerer Täterschaft. Rommel selbst ist dabei das Tatwerkzeug, das von Hitler und dessen Gehilfen durch deren Nötigung gesteuert wird. Diese haben deshalb die Nötigungstatherrschaft. Der Totschlag wird durch weitere Tatumstände zum Mord qualifiziert. Die Tötung Rommels erfolgte zur alleinigen Verfolgung von Vorteilen für das NS-Regime. Er bezweckte die Beseitigung eines unliebsam Gewordenen ohne gerichtlichen Schuldspruch und unter Ausnutzung der Popularität des Opfers für das Regime. Das ist in der zweiten und endgültigen rechtlichen Einordnung ein Mord aus „sonst niedrigen Beweggründen“ gemäß des zur Tatzeit (und sogar noch heute!) geltenden Mordparagrafen § 211 Absatz 2 Reichsstrafgesetzbuch.

Auch der Jurist Professor Dres. h.c. Manfred Rommel geht aaO S. 210 von Mord an seinem Vater aus, der Sache nach auch der Inspekteur der Bundesmarine Vizeadmiral Ruge (aaO S. 240), der Verbindunghsoffizier der Marine in Rommels Generalstab war und in engem Gedankenbaustausch mit Rommel stand (Ruge aaO S. 240 "Rommel aus dem Weg geräumt"). Dr. Lieb (VfZ aaO S. 343) und das Bundesverteidigungsministerium (Schreiben Oberst im Generalstab Dr. Gruhl vom 31.8.2022 siehe nachfolgend "Erinnerung") sehen Rommel als Opfer des NS-Regimes, genauso wie Dr. Katharina Kellmann in Erwin Rommel und der 20. Juli 1944 katharinakellmann-historikerin.de ("mit dem Leben bezahlt") und von Kayserlingk-Rehbein aaO S. 519 ("in den Tod gezwungen").