VII. Zur Rommel "Webseite" der Stadt Heidenheim,
www.rommel-denkmal.de
1.Zur rechtlichen Verantwortung und zum Inhalt der Webseite www.rommel-denkmal.de im Allgemeinen
Nach dem mitgeteilten Copyright trägt die Stadt Heidenheim, nunmehr Oberbürgermeister Salomo, die rechtliche Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung. Sie ist unwissenschaftlich, auch wenn inzwischen der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Prof. iR Dr. Wette und der am 21. Oktober 2021 mit der Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnete Dr. Proske als Mitverfasser genannt sind. Deren und und die Urheberschaft des ebenfalls - durch den Deutschen Werkbund e.V. - ausgezeichneten Künstlers Jooß für die "Piktogramme" werden sogar im Literaturverzeichnis herausgestellt. Beweise fehlen für den Inhalt der Piktogramme völlig. Etliche der in der Literaturauflistung genannten besonders rommelkritischen Quellen erfüllen das gebotene wissenschaftliche Niveau bei Weitem nicht. Das gilt insbesondere für die hier bereits besprochenen Beiträge Dr. Proskes, den Beitrag von Prof. iR Dr. Wette in Der Zeit 2020 sowie das aus einer Bachelor-Arbeit von Daniel Sternal hervorgegangene und im Kugelbaumverlag des Dr. Proske 2017 veröffentlichte Büchlein "Erwin Rommel - Ein Mythos wankt". Auf den in die städtische Webseite übernommenen Beitrag von Prof. iR Dr. Wette wird im Folgenden eingegangen.
Die Bachelor-Arbeit Sternals provozierte drei kritische Rezensionen (Wolfgang Mährle, Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 77 (2018) S. 499 f. "die Urteile Sternals erscheinen insgesamt als einseitig" ; "Caiusilius" Amazon 19.5.2018 "einseitig, intolerant und selbst interessengeleitet" sowie Dr. Katharina Kellmann Amazon 9.5.2023 "....Solche Passagen sind es, die den wissenschaftlichen Charakter in Abrede stellen").
Nachdem Sternal das quellengesättigte Buch von Remy pauschal als "unwissenschaftlich" verdammt (S. 48) und den Autoren Dr. Cornelia Hecht und Dr. Peter Lieb eine "apologetische Sichtweise" vorwirft, "die den Eindruck einer interessengeleiteten Geschichtsschreibung erweckt" (S. 49), hätte Sternal nie Bachelor werden dürfen. In jeder wissenschaftlichen Ausbildung gilt nämlich der Grundsatz, dass sich ein Student mit Gegenauffassungen sachlich auseinandersetzen muss. Das gilt zwingend für Arbeiten, mit denen ein akademischer Bildungsabschluss erreicht wird. Eine Arbeit, die sich, wie die von Sternal, auf Polemik zurückzieht, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Das Sternalsche Werk wurde zunächst zu 90 % von dem Journalisten Stefan Jehle im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg in deren online-Beitrag über Rommel nahezu wörtlich übernommen, auch mit der juristisch unhaltbaren Aussage, Rommel wäre im Falle des Überlebens vom IMG in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilt worden. Nach massiver Kritik von Gerhard Schlumpberger, Verfasser der Webseite www.rommel-widerstand-aktiv.de , Fritz Gerlach und dem Verfasser wurde der Beitrag von der Landeszentrale am 3.3.2022 gelöscht.
Dem Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim "nachgemeldete" acht Veröffentlichungen, die im Widerspruch zur städtischen Position stehen, wurden bis auf den Bundestags-Beschluss vom 2. Juli 2020 nicht einmal in das Literaturverzeichnis aufgenommen. Das 2010 veröffentlichte, besonders einschlägige Buch von Manfred Rommel "1944 Jahr der Entscheidung Rommel in Frankreich" wurde von vornherein ignoriert.
Laut einer Nachricht des SPD-Stadtratsvorsitzenden Rudi Neidlein vom 14.10.2020 an Dipl. Ing. iR Eckart Krägeloh sollte die städtische Webseite ergänzt werden:
"OB Ilg hat ein Diskussions-Forum, innerhalb der Website angekündigt, das Forum ist in der Entwicklung. Hier werden interessierte Bürger*innen die Möglichkeit haben, ihre Sicht der Dinge darzulegen und öffentlich zu machen. Ein Administrator soll das Forum pflegen um nicht zum Thema gehörende oder gesetzwidrige Dinge herauszufiltern". Die Entwicklungszeit ist bis heute noch nicht abgelaufen!
In einem, - wenn auch überaus freundlichen -Schreiben an den Verfasser vom 9.3.2022 beharrt OB Salomo zu Unrecht auf dem Standpunkt, das Literaturverzeichnis der städtischen Webseite stelle "die breite historisch-wissenschaftliche Debatte" dar. Es wird nach wie vor nicht erkannt, was unwissenschaftlich ist. Wissenschaftlich Fundiertes wird in der Webseite nicht erörtert und einschlägig Neues im Literaturverzeichnis auch nach Vorlage von Kopien nicht verarbeitet, noch nicht einmal in der Literaturliste nachgetragen. Offensichtlich werden durch den Glanz der Prof. i.R Dr. Wette und Dr. Proske verliehenen staatlichen Ehrungen der gesunde Menschenverstand und die Kritikfähigkeit des Oberbürgermeisters und seines Pressesprechers, Historiker Stefan Bentele, ausgeschaltet. Nach der Mail von Bentele an den Verfasser vom 1. 3.2023 ist Bentele nicht in der Lage oder nicht willens, die nach vollständiger Auswertung der wissenschaftlich beachtlichen Literatur getroffenen Feststellungen der Historikerin Dr. Katharina Kellmann (siehe oben IV Erinnerung) zu verstehen. Für mich liegen neue Erkenntnisse vor. Dazu gehören nämlich auch neue überzeugende Wertungen: Rommel lehnte das sozialdarwinistische Weltbild Hitlers - Sieg oder Tod - entschieden ab und handelte entsprechend dieser Ablehnung. Das wurde von Dr. Kellmann zu Recht als "Widerstand" qualifiziert.
Die Webseite der Stadt Heidenheim beinhaltet grobe Unrichtigkeiten. Das interessiert die Rechtsaufsichtsbehörden nicht. „Die Rolle von Herrn Generalfeldmarschall Erwin Rommel in der deutschen Geschichte wird seit vielen Jahren… kontrovers diskutiert…. Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen dürfen … nur dann zum Anlass für Aufsichtsmaßnahmen genommen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten ist (Innenministerium Baden-Württemberg, Bescheid vom 28.1.2021 IM2-0300.8-8/12). Bei kontroversen Diskussionen ist also die Verbreitung ehrkränkender Tatsachen und Schlussfolgerungen über einen ehemaligen Bürger einer Stadt durch die Stadtverwaltung erlaubt. Der Inhalt wird gar nicht bewertet und nicht in Bezug zur Meinungsfreiheit und die diese einschränkenden Gesetze gesetzt.
Zutreffend hat Dipl. Ing. iR Eckart Krägeloh in der Heidenheimer Zeitung vom 20.4.2023 S. 11 die Heidenheimer Webseite wie folgt gewürdigt:
"Die Webseite ist mit geradezu missionarischem Eifer bemüht, das unkritische Rommelbild der 1960er Jahre in das genaue Gegenteil umzudeuten."
Die Aussagen über Rommel lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Er war ein charakterloser Opportunist und Profiteur des Naziregimes, der Menschenleben rücksichtslos eingesetzt hatte und sich aus Gehorsam gegenüber Hitler (wenn auch erzwungen!) selbst umbrachte.
Die Stadt Heidenheim – verantwortlich (früher)OB Ilg, (jetzt) OB Salomo – übernimmt diese Aussagen als eigene.
Wären sie richtig, müsste das Rommeldenkmal sofort abgerissen werden.
Keine Stadt darf einen Charakterlumpen ehren, auch nicht in modifizierter Form in Verbindung mit dem dargestellten Nachkriegsminenopfer. Einen Abriss des Denkmals zu unterlassen, ist bei bestehender Überzeugung von der Richtigkeit der Vorwürfe gegen Rommel absolut inkonsequent.
2.Entgegen aller Kritik in der städtischen Webseite: Erwin Rommel ist sogar im Jahr 2020 - und vertieft im Jahr 2022 und bis heute - für die Bundeswehr sinn- und traditionsstiftend
Mit Schreiben vom 30.9.2019 an den Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages wurde unter anderem mit den hier zitierten Arbeiten des Militärhistorikers Dr. Peter Lieb und juristischen Ausführungen einer von der „Geschichtswerkstatt Heidenheim“ zugänglich gemachte Eingabe des Dr. Wolfgang Proske vom 18.10.2016 an den Verteidigungsausschuss entgegengetreten. Das Schreiben vom 18.10.2016 hatte das Ziel verfolgt, die nach Rommel benannten Kasernen in Deutschland umzubenennen. Es blieb erfolglos.
Mein Schreiben vom 30.9.2019 an den Verteidigungsausschuss wurde als Petition bewertet, über die am 2.7.2020 ein Petitionsbeschluss des Deutschen Bundestages Pet 4-19-14-56-025819 BT-Drs. 19/20152 herbeigeführt wurde.
Der Kernsatz der Entscheidung wurde aus einer fachlichen Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung übernommen und lautet:
„Für die Bundeswehr sind Rommels Missachten verbrecherischer Befehle und die Ablehnung des von NS-Regime geforderten ideologischen Feindbildes sowie sein Verantwortungsgefühl und soldatischer Mut, die Beendigung des Krieges gegenüber dem Diktator auch unter Gefahr für Leib und Leben persönlich einzufordern, sinn- und traditionsstiftend.“
Der Beschluss und dessen Grundlage, eine fachliche Stellungnahme des Ministeriums für Verteidigung, sollen keinesfalls überbewertet werden. Dass ihr tragende Beweise fehlen, ist unschädlich. Die Anknüpfungstatsachen für die m. E. zutreffenden Wertungen stammen aus unstreitigen Quellen.
Nach Einreichung der Ausarbeitung unter V. (erste Auflage) "Erwin Rommel und der Widerstand - eine juristische Subsumtion" hat das Bundesministerium der Verteidigung (Oberst iG Dr. Gruhl) im Schreiben an den Verfasser vom 31. August 2022 die Auffassung des Ministeriums präzisierend bestätigt:
"Generalfeldmarschall Rommel ist Teil der Tradition der Bundeswehr. Obwohl er lange Zeit von Hitler fasziniert war, sind sein Missachten verbrecherischer Befehle, seine Ablehnung des vom NS-Regime geforderten ideologischen Feindbildes sowie sein Verantwortungsgefühl und sein soldatischer Mut, die Beendigung des Krieges gegenüber dem Diktator auch unter Gefahr für Leib und Leben persönlich einzufordern, bis heute traditionsstiftend. Zudem ist Rommel durch seine Nähe zum politischen Widerstand und dem daraus erzwungenen Selbstmord ein Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsstaates.
Derzeit sind zwei Liegenschaften der Bundeswehr nach Erwin Rommel benannt - die "Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne" in Augustdorf uind die "Rommel-Kaserne" in Dornstadt. Es bestehen gegenwärtig keine Bestrebungen, diese beiden Liegenschaften umzubenennen."
3.Unhaltbare Kernaussagen der Webseite
a) „Kein aktives widerständisches Verhalten“
Dieses aus der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages herausgenommene und plakativ verwendete Zitat betrifft die Zugehörigkeit Rommels zum "Widerstand" als das für den Wissenschaftlichen Dienst maßgeblich gehaltene Kriterium zur Prüfung einer Traditionswürdigkeit Rommels für die Bundeswehr. Wie im Abschnitt III. 2 a). Beweiswürdigung durch den Wissenschaftlichen Dienst dargelegt, ist dessen Ausarbeitung nicht wissenschaftlich. Sie ist eine Kompilation nicht kritisch geprüfter Zusammenfassungen Dritter, sie ist lückenhaft und verkennt die als maßgeblich gehaltene Dissertation von Linda von Kayserlingk-Rehbein (zu den Einzelheiten siehe oben III. 2 a). Diese sehr beachtliche, 707 Seiten umfassende Dissertation wird auch von Prof. iR Dr. Wette verkannt. Auf Seite 13 in FN 42 seines mit zur Webseite gehörenden Vortrags wird die Dissertation lediglich als "neueste Studie" bezeichnet. Dabei ist eine von einer Fakultät einer deutschen Universität angenommene Dissertation wegen deren wissenschaftlichen Kontrolle durch mindestens zwei Professoren des gleichen Fachs und der mündlichen Doktorprüfung im Vergleich zu "Studien" und ungeprüften anderen Veröffentlichungen sicher höherwertig. Sie wird im Wissenschaftsbetrieb nur noch von einer Habilitationsschrift übertroffen. Prof. iR Dr. Wette zitiert aaO ohne jeden Beleg das von ihm erkannte "Ergebnis" der Dissertation: "Die Verschwörer seien sich sicher gewesen, dass Rommel sie nicht unterstützen würde". Das steht indes nirgendwo auf den 707 Seiten! Einzig eine Notiz Kaisers über ein Gespräch von Henning von Tresckow mit Rommel vom 10.6.1943 belegt, dass Rommel Anfang Juni 1943 von Widerständlern als "hoffnungslos, Kein Geist, keine Erkenntnis" eingeschätzt wurde (von Keyserlingk-Rehbein aaO S. 387, 476 FN 1460). Darauf hatte Prof. iR Dr. Wette indes nicht abgestellt. Die von Prof. iR Dr. Wette als "Ergebnis" der Dissertation erkannte Feststellung "sicher, dass Rommel sie nicht unterstützen würde", ist eine haltlose, grob unwissenschaftliche Annahme. Sie wird durch die Dissertation nicht belegt und lässt alle nachfolgenden Zeugnisse über Aussagen Rommels und dessen Handeln bis 17.7.1944 außen vor. Zur Widerlegung der Blindheitsthese siehe schon oben III 2 a). Die Dissertation wird von Prof. iR Dr. Wette also mit behauptetem unzutreffenden Inhalt instrumentalisiert. Das ist ein schwer wiegender Verstoß gegen anerkannte Regeln der Wissenschaft.
Die städtische Webseite bemächtigt sich der als schlichte Aussage formulierten Erkenntnis des Wissenschaftlichen Dienstes und bildete daraus die sinnstiftende Schlagzeile der Webseite. Ziel ist, das gesamte Handeln Rommels als nicht aktiv widerständisch zu qualifizieren. Das ist falsch.
Zwar trifft es zu, dass Rommel im Gegensatz zu Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Georg Elser nicht versucht hat, das Leben Hitlers und dessen Entourage durch Einsatz von Sprengstoff zu beenden. Ein solches Verständnis von „aktiv widerständisch“ wäre indes eine unangemessene Verkürzung auf zwei unmittelbar Hitler Angreifende. Der wissenschaftliche Dienst ordnet – natürlich – die übrigen "Mitverschwörer" des 20. Juli 1944 als „aktiv widerständisch“ ein. Die haben bis auf die in Paris durchgeführten Festnahmen durch Pläne und Absprachen – also durch Worte – Widerstand geleistet. Rommel ist darüber hinausgegangen. Er hatte Erschießungsbefehlen gegen feindliche Soldaten – darunter sogar deutsche Juden! – und menschenverachtenden Befehlen gegenüber seinen Soldaten den Gehorsam verweigert und von Hitler die Beendigung des Krieges im Westen gefordert. Gerade die mit dem Tod bedrohte Befehlsverweigerung ist ein Klassiker des Widerstandes eines Soldaten.
Die unter 7. der Webseite der Stadt immerhin genannten „einzelnen Sekundärquellen“, die Rommel zum militärischen Widerstand zählen, werden verächtlich einem variierten Rommelmythos zugerechnet und bleiben in ihrem Beweiswert (natürlich) unerörtert.
Dass Rommel Vorbereitungshandlungen für eine Kriegsaufgabe im Westen getroffen und Gegner Hitlers aus seiner Umgebung nicht gemeldet hatte, ist bewiesen (siehe oben V. sub IV.) und im Schrifttum nahezu unstreitig. (Remy aaO S. 283ff., 306 Manfred Rommel aaO S. 160 ff., 312f.; Lieb aaO S.335 bis 340). Rommel hatte sich zum Nachteil Hitlers des versuchten Mordes durch Unterlassen in Tateinheit mit Hochverrat schuldig gemacht und am 17.7.1944 zwei Fälle des Hochverrats begangen, indem er sich der Gefolgschaft der Generäle Dietrich und Eberbach versicherte, seinen anstatt Hitlers Befehlen zu folgen (siehe oben V. IV.) Seine Pflichten als Deutscher und als Offizier hatte Rommel durch die Vorbereitung der Frontaufgabe im Westen hinter dem Rücken des Diktators in einem solchen Ausmaß verletzt, dass Hitler berechtigt war, Rommels Tötung anzuordnen. Dies alles bei dem später vom Regime ermordeten Erwin Rommel als „nicht aktiv widerständisch“ zu bezeichnen ist deshalb eine ehrabschneidende Ungleichbehandlung Rommels im Vergleich zu anderen erschossenen oder hingerichteten Offizieren.
b)„noch im erzwungenen Tod gehorchte er ergeben seinem Führer und Förderer“ (Piktogramm 3 aE)
aa) Diese Formulierung hatte schon Dr. Proske (aaO S 154) 2016 in etwas gesteigerter Form entwickelt. "...blieb er (Rommel) seinem Führer, dem er alles verdankte, bis in den Befehl zum Tode treu ergeben". Das ist wegen Widersprüchlichkeit falsch und auch sonst unzutreffend.
Die Vorteile ("alles"), die Rommel dem Führer verdankte, waren in der Stunde des "Selbsttötungsbefehls" nichts mehr wert. Ins Grab nimmt bekanntlich niemand etwas mit. Materielle Zuwendungen, die der Familie hätten erhalten bleiben können, hatte Rommel im Gegensatz zu anderen Generälen nicht bekommen und auch nicht verlangt.
Wer ein Selbsttötungsverlangen ergeben hinnnimmt und ausführt, erleidet keine Beugung seines Willens. Sein Tod ist dann nicht erzwungen sondern wäre Ergebnis der Einsicht, dass der Wille des Führers immer zu befolgen ist, auch wenn dieser die Selbsttötung verlangt. Dass Rommel so gedacht haben könnte, ist abwegig und widerspricht den glaubhaften Bekundungen Manfred Rommels über die Umstände des Ablebens seines Vaters (Manfred Rommel Trotz allem heiter aaO S. 67 f., ). Rommel selbst rechnete mit seinem gewaltsamen Tod durch einen inszenierten "Unfall" (Ruge aaO S. 238 f.).
bb) Das ist eine haltlose Schlussfolgerung aus der von einem Mordgehilfen bekundeten Äußerung Rommels, er hätte den Führer geliebt ( Remy aaO S. 324 Endnote 324 S. 387; weitergehend oben VI 6 g))
Diese Interpretation spricht Rommel die Berechtigung ab, angesichts seines soeben ihm verkündeten "Todesurteils" noch eine Bitte um Gnade äußern zu dürfen. Eine solche Bitte ist zwar Ausdruck der Verkennung des Verbrecherregimes, beruht indes auf einer nachvollziehbaren menschlichen Regung und entwertet die gegen Hitlers Herrschaft gerichteten Handlungen und Unterlassungen Rommels nicht.
cc) Die Webseite erkennt immerhin einen „erzwungenen Tod“.
Das war nach richtiger juristischer Bewertung ein Mord (sonst aus niedrigen Beweggründen zum alleinigen Vorteil des NS Unrechtsregimes) in mittelbarer Täterschaft (oben II.).
Der Mord an Rommel mutiert in der Webseite zum Beweis der Gefolgschaftstreue Rommels gegenüber Hitler. Das ist eine haltlose Niedertracht gegenüber einem Mordopfer.
dd) "noch im erzwungenen Tod gehorchte er ergeben seinem Führer und Förderer" ist eine unrichtige, grob ehrabschneidende Tatsachenbehauptung und unterfällt dem Tatbestand des § 189 StGB.
Sie knüpft an den Tod Rommels als Opfer der NS-Gewaltherrschaft an. Die Voraussetzungen des § 194 Abs.2 Satz 2 StGB sind hierdurch erfüllt.
Mit Schriftsatz vom 16.3.2021 wurde wegen dieser Behauptung bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen Strafanzeige wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gegen Oberbürgermeister Ilg und unbekannte Mittäter, die Mitarbeiter an der städtischen Website, erhoben. Das Aktenzeichen lautet 31 Js 5301/21.
Das Verfahren wurde durch Verfügung vom 15.9.2021 mangels Tatverdachts eingestellt. In der Begründung blieb offen, ob Rommel überhaupt ein NS-Opfer gewesen ist. Das ist rechtsfehlerhaft, weil das Unterlassen der Würdigung der Opfereigenschaft den Achtungsanspruch jedes NS-Opfers beschädigt.
Ferner sei die angegriffene Aussage keine Tatsache sondern eine Meinung, weshalb OB Ilg die Meinungsfreiheit zustehe. Auch das ist falsch, weil es sich um eine innere Tatsache handelt. Was dachte GF Rommel bei der Gifteinnahme ?
Auf die juristische Begründung der Beschwerde ging die Beschwerdeentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 14.10.2021 Az 13 Zs 1884/21 gar nicht ein. Sie verteidigt die Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht. Sie verneint eine Verunglimpfung in Gestalt einer schweren Kränkung durch eine Auslegung der Behauptung "noch im erzwungenen Tod gehorchte er ergeben seinem Führer und Förderer" aus dem gesamten textlichen Zusammenhang der städtischen Webseite. Dafür musste weit ausgeholt werden. Entgegen dem eigenen Obersatz wurde nämlich nicht auf den Text allein abgestellt, sondern auch auf die etliche Seiten später in einem gesonderten Kapitel der Webseite visualisierten Text auf der Rückseite des Rommeldenkmals. Mit dieser Methode sinkt die Behauptung auf einen bloßen "Beitrag zum umstrittenen Meinungsbild zu der Person Erwin Rommel" herab.
In der weiteren Beschwerde vom 26.10.2021 wird das als denkfehlerhaft und hierdurch rechtsfehlerhaft kritisiert. Die gewählte Argumentationsmethode setzt nämlich denkfehlerfrei festgestellte Umstände und rechtlich unangreifbare Wertungen für die maßgeblichen Zusammenhangserwägungen voraus. Tatsächlich und rechtlich Unsinniges in der Website der Stadt Heidenheim kann dafür keine Grundlage bilden. Es geht nicht an, dass eine Extremkritik dadurch als wertneutral und zulässig bewertet wird, indem sie in etliche andere unhaltbare Umstände eingebettet wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft sieht das Anliegen der Webseite der Stadt Heidenheim in einer Hinterfragung einer "möglicherweise einseitigen Geschichtsschreibung" (gemeint der "Rommelverehrer"). Indes kann man mit nur möglicherweise vorliegenden Umständen keine juristische Subsumtion begründen. Es gilt, den Sachverhalt nach den anerkannten Methoden der Beweiswürdigungslehre zu ermitteln. Mir geht es um die historische Wahrheit und die zutreffende rechtliche Bewertung der Handlungen Rommels und der Handlungen Dritter.
Die Webseite der Stadt Heidenheim betreibt entgegen der Annahmne der Generalstaatsanwaltschaft selbst eine extrem einseitige Geschichtsschreibung und lässt ausgewogen kritische Ausarbeitungen zu Rommel extra außen vor. Die Behauptung, die Webseite "macht der Öffentlichkeit nicht nur überregional den gegenwärtigen Stand der Geschichtsschreibung zugänglich, sondern bietet auch die Möglichkeit, dass relevante Forschungsergebnisse kommender Jahre mit einfließen können", ist falsch. Der sachliche Beitrag in der SWR Mediathek www.planet-wissen.de Mythos Rommel wird nicht erwähnt, von der hiesigen Webseite natürlich ganz zu schweigen, genauso wie dem Aufsatz von Schweizer/Lieb in ZMS BW Potsdam 2019, die Beiträge Newsletter Verteidigung NV 44 9.11.2021 S. 3 ff.., NV 23 vom 15.8.2023 "War Erwin Rommel Mitglied des Widerstands?" sowie den Beitrag in "Wikipedia" "Rommel und der Widerstand". Das besonders einschlägige Buch von Manfred Rommel "1944 - Das Jahr der Entscheidung Erwin Rommel in Frankreich (Hohenheim 2010) sucht man vergeblich. OB Salomo antwortet auf umfangreiche sachliche Schreiben nicht mehr. Die Stadt weigert sich, weitere wissenschaftlich nicht angegriffene Quellen in das Literaturverzeichnis ihrer Webseite aufzunehmen, die nicht wie etwa auch die neue Veröffentlichung von Dr. Kataharina Kellmann vom 9.5.2023 "Erwin Rommel und der 20. Juli 1944" www.katharinakellmann-historikerin.de zu ihrem extremen Rommelbild passen.
Auf Initiative des Verfassers hatte der Pressesprecher der Stadt Heidenheim Stefan Bentele den nicht mehr existierenden Beitrag der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg über Rommel und die seit 2011 angekündigte, indes nie erschienene Rommelbiographie des Rommelkritikers Prof. Dr. Peter Steinbach aus der Liste der Beiträge über Rommel gestrichen. Das war auch schon alles.
Die weitere Beschwerde gegen die Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft wurde vom Ministerium der Justiz und für Migration mit Verfügung vom 8.12.2021 JMR - E - 1403 - 33/1971/2 - eingegangen am 20.1.2022 zurückgewiesen. Die Verfügungen der Staatsanwaltschaft Ellwangen und der Generalstaatsanwaltschaft seien nicht zu beanstanden. Das überzeugt schon vor dem Hintergrund von deren widersprüchlichen Begründungsansätzen nicht.
Die Einstellungsverfügung vom 15.9.2021, die dagegen gerichtete Beschwerde vom 28.9.2021, die Beschwerdeeentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft vom 14.10.2021 sowie die weitere Beschwerde vom 26.10.2021 und die Beschwerdeentscheidung des Ministeriums der Justiz und für Migration werden Interessierten als pdf Datei gerne zur Verfügung gestellt: Rechtsanwalt Röhm (bis 31.12.2022 Rechtsanwälte Röhm & Partner mit Rechtsanwalt Dr. Peter Brause) info@anwalt-sindelfingen.de
ee)" noch im erzwungenen Tod gehorchte er egeben seinem Führer und Förderer" beschädigt auch den (zivilrechtlichen) postmortalen Achtungsanspruch Rommels
Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht leiten dieses Recht aus Art. 1 Abs. 1 GG ab: " Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Zum anderen genießt aber auch der sittliche , personale und soziale Geltungswert, den die Person durch die eigene Lebensleistung erworben hat, Schutz (BGH NJW 2022, S 847, 854 Rdn 20). "Steht fest, dass eine Maßnahme in den Schutzbereich des postmortalen Persönlichkeitsrechts eingreift, ist zugleich ihre Rechtswidrigkeit geklärt (BGH NJW 2014, S. 3786, 3788 Rdn. 31, NJW 2022 aaO Rdn. 21). Das ist der Fall bei einem Angriff durch eine unzutreffende Tatsachenbehauptung. Solches liegt hier vor, weil das behauptete Gehorchen Rommels eine innere Tatsache betrifft: was hat Rommel bei der Gifteinnahme gedacht? Bei Inanspruchnahme eines Grundrechts (Meinungsfreiheit) duch den den Verstorbenen Kritisierenden bedürfe es dagegen einer die Menschenwürde des Verstorbenen treffenden Verletzung. Das sei notwendig, weil auch die Meinungsfreiheit eine Konkretisierung des Art. 1 GG (Menschenwürde) sei (BGH aaO mwN). Wäre die hier begründete Auffassung richtig, dass die zu bewertende Aussage eine Tatsachenbehauptung ist, käme es auf all das nicht an.
Selbst wenn man die Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit unterstellt, liegt in dieser Aussage ein durchschlagender Angriff auf die Menschenwürde Rommels. Für die deutsche Rechtsordnung ist die NS-Opfereigenschaft eines Menschen von essentieller Bedeutung. Der Achtungsanspruch eines Menschen, der NS-Opfer ist, ist nach der heute herrschenden Rechtsüberzeugung nicht mehr steigerbar. Die Bundesrepublik Deutschland verfolgt das Erinnern an die NS-Zeit sowie hinsichtlich der NS-Verbrechensherrschaft eine Erinnerungs- und Schuldkultur auf höchstem Niveau als Staatsräson. Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier verlangt: "Ausschwitz muss jeder kennen." Inhalt und Intensität staatlicher und staatlich geförderter Erinnerungsveranstaltungen, insbesondere durch Bundespräsident Dr. Steinmeier höchstselbst, geben dem nahezu täglich Ausdruck. Wer vor diesem Hintergrund einem vom NS-Staat Ermordeten - wie Erwin Rommel - haltlos zuschreibt, er hätte seinen Tod auf Befehl oder Wunsch des "Führers" vollzogen, "seinem Führer gehorcht", trifft den Achtungsanspruch des Ermordeten im Mark.
c) Rommel war Opfer der NS-Gewaltherrschaft durch Ermordung und Opfer im Sinne des BEG
Die Frage, ob Rommel Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war, wird von der städtischen Webseite und sämtlichen rommelkritischen Publikationen offen gelassen. Wer Rommel als Kriegsverbrecher oder NS-Täter sieht, wird dazu neigen, Rommels Tod als gerechte Strafe zu empfinden. Andere einschlägige Gesetzesbestimmungen geraten dann auch nicht in den Blick.
Nach § 1 Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes vom 18.9.1953 ist "Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist." Dass Rommel unter diesen Tatbestand fällt, ist durch den versuchten Mord durch Unterlassen zum Nachteil Hitlers in Tateinheit mit Hochverrat und seine eigenen zwei Hochverratshandlungen bewiesen (siehe oben V. sub V. und VI.). Rommel hatte zudem in seinem Schreiben an Hitler vom 15.7.1944 das Ende des Krieges im Westen verlangt und sich als dafür unzuständiger Offizier in die Politik eingemischt. Er bekundete die durch Fakten belegte Überzeugung, dass das Hauptziel des Nationalsozialismus, der "Endsieg" nicht zu erreichen sei. Rommel war auch hierdurch offen "in politische Gegnerschaft" zum Nationalsozialismus getreten und hat dafür die ultimative nationalsozialistische Gewaltmaßnahme, seine Tötung, hinnehmen müssen.
Gerade die Opferrolle Rommels gehört ganz wesentlich zur Würdigung von dessen Persönlichkeit. Warum wird der einstige „Vorzeigegeneral/Nazigeneral/Lieblingsgeneral“ von dem Regime, dem er so „treu und beflissen“ gedient hat, umgebracht? Eine Bewertung dieses zentralen Umstands unterbleibt in der städtischen Webseite vollständig.
Wie kann jemand ein Profiteur des Naziregimes sein, der ohne Verfahren vor dem Ehrenhof des Heeres und ohne Gerichtsverhandlung von gerade diesem Regime sieben Monate vor dessen Ende getötet wurde?
d) „Rücksichtsloser Einsatz von Menschenleben“
Das trifft zu im Rahmen der ersten Angriffe auf Tobruk 1941 zu (siehe im Einzelnen oben VI. 6 e) (5) und Lieb Die Welt aaO). In allen übrigen Kriegslagen schonte Rommel seine Soldaten. Er verweigerte militärisch unsinnigen Befehlen die Gefolgschaft. Die Verallgemeinerung ist demnach falsch; der Vorwurf ist situationsbezogen zutreffend.
e) Keine „Blindheit aus Opportunismus gegenüber Zielen und Praktiken des NS Regimes“; indes anderweitig begründete berechtigte Kritik an Rommel
Verbrecherische Ziele der NS-Führung hat Rommel nie selbst verfolgt.
Der Vorwurf der Blindheit aus Opportunismus trifft nicht zu. Rommel war kein Opportunist. Das ist nach anerkannter Definition (Brockhaus) ein Mensch, der rein zweckmäßig handelt, auch im Widerspruch zur eigenen Überzeugung und Wertvorstellung. Rommel verfolgte aber stets eigene Überzeugungen und Wertvorstellungen, insbesondere als er unsinnige und rechtswidrige Befehle nicht befolgte. Zutreffend ist, dass Rommel erst im Frühjahr 1944 das verbrecherische Ausmaß des NS-Regimes erkannte und "nur" zur Abwendung einer Kriegskatastrophe im Juli 1944 - wie fast alle anderen Widerständler - entgegen Hitlers Befehlen für sein Vaterland handelte. Es ist wahrscheinlich, dass Rommel Hitler bis zum Endsieg gefolgt wäre. Der Endsieg ist indes eine wegen fehlender Ressourcen Deutschlands auf Irrealem fußende Wunschvorstellung und begründet den Vorwurf der Blindheit aus Opportunismus bis Frühjahr 1944 nicht. Rommel war sehr angetan vom Führerstaat und der deutschen Volksgemeinschaft und eingebunden in der militärischen Hierarchie. Rommel genoß noch 1943 die Wertschätzung Hitlers, dem es mehrfach gelang, Rommels Zweifel durch das Miltär betreffende Versprechungen zu überwinden. Das begründet keinen Opportunismus, indes die Kritik, dem Nationalsozialismus sehr zugetan gewesen und Hitler lange gefolgt zu sein. Man kann Rommel auch vorhalten, warum er nach der Niederlage in Nordafrika - gesundheitlich angeschlagen - nicht um seine Entlassung nachgesucht hatte. Dem stand indes die von Rommel verabsolutierte Pflichterfüllung, sein Ehrgeiz und naheliegend auch seine Eitelkeit, beruflich nicht scheitern zu wollen, entgegen. Indes offenbart Solches nicht den hier von Prof. iR Dr. Wette, Dr. Proske und Jooß postulierten Charaktermangel des Opportunismus Rommels.
Richtig ist sicher Folgendes:
Die Welt Rommels war der von ihm befohlene Wehrmachtsteil. Da war er sicher; da hat er opponiert. Nach Erkennen der Kriegskatastrophe für sein Vaterland hat er selbständig gehandelt und als Hochverrat zu qualifizierende Handlungen begangen (siehe im Einzelnen hier unter V. Rommel und der Widerstand- eine juristische Subsumtion). Auch Oberleutnant Helmut Schmidt und Leutnant Richard von Weizsäcker erkannten den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes. Sie opponierten - in untergeordneten Stellungen befindlich - gleich gar nicht. Sonst hätten sie nicht überlebt. Bisher hat noch niemand gegen diese beiden herausragenden Staatsmänner der Bundesrepublik Deutschland den Vorwurf erhoben, sie seien blind aus Opportunismus gewesen. Ein solcher Vorwurf wäre auch gegenüber Oberleutnant Franz-Josef Strauß, späterer Bundesminister und Ministerpräsident Bayerns, völlig abwegig. Er hatte zum Kriegsende sogar offen und erfolgreich opponiert. Unter Eingehung eines persönlichen Risikos hatte er durch Verhaftung eines Soldaten diesen einem SS-Sondergericht entzogen, das den Soldaten standrechtlich erschossen hätte. Strauß hatte die drei Mitglieder des Sodergerichts durch Todesrohungen vertrieben und den Soldaten freigelassen (Kellerhoff Die Welt 15.4.2021 und Kellerhoff/Möller Die Welt 4.12.2015).
Sogar der Hitlerattentäter Oberst Claus Schenk von Stauffenberg, die Ikone des militärischen Widerstands, wurde mit ähnlichen Vorwürfen wie Rommel überzogen. In der Frankfurter Rundschau vom 8.3.2019 billigte Prof. iR Dr. Wette mit eigenen Worten die Darstellung in der Stauffenberg-Biografie von Karlauf und bezeichnet den schwerkriegsbeschädigten Oberst Graf von Stauffenberg als "Nazi",
"der an dem zur Staatspolitik erhobenen Antisemitismus keinerlei Anstoß nahm; dass er im Krieg gegen Polen unsägliche rassistische Äußerungen über die Polen von sich gab, dass er in jedem Krieg, den Hitler anzettelte, eine Möglichkeit soldatischer Bewährung sah ... und dass er an anderen verbrecherischen Befehlen der Regierung (!), des OKW (!) und des OKH (!) keinen Anstoß nahm, ja dass er sich nicht einmal über die schon im Sommer 1941 einsetzenden, systematischen Judenmorde empörte, über die er stets gut unterrichtet war." Prof. iR Dr. Wette übersieht, dass die Reichsregierung keine verbrecherischen Befehle erlassen hatte, weil sie nicht mehr funktionsfähig war (Nürnberger Urteil aaO S. 166; siehe folgend unter 5a)) und dass es eine strafrechtliche Verantwortung der Kollektive OKW und OKH nicht gab, sondern nur Einzelverantwortliche.
Der damalige Oberstleutnant Graf von Stauffenberg hatte verbrecherische Befehle nicht selbst ausgearbeitet und war an deren Entstehung auch sonst nicht beteiligt. Er hätte sicher nur einmal die von Prof. iR Dr. Wette erheischte Empörung äußern können. Was Prof. iR Dr. Wette hier verlangt, ist die Pflicht der Selbstaufopferung, die aber in keiner Rechtsordnung anerkannt ist.
f) Opferzahlen, Minen und „multinationaler Charakter“
Prof. i.R. Dr. Wette operiert mit Übertreibungen. Damit kann er bei unkritischen Mitbürgern den Eindruck erwecken, dass Rommel für gigantische Kriegsschäden verantwortlich sei und schon deshalb ein fürchterlicher „Nazigeneral“ gewesen sein muss.
Der Krieg in Nordafrika kostete 85.000 Soldaten das Leben, darunter sind 20.000 Deutsche. (Lieb, Krieg in Nordafrika 1940-1943 Ditzingen 2018 Seite 146) Es gab also nicht, wie von Prof. iR Dr. Wette behauptet, 840.000 „Verluste“. Ein Kriegsgefangener, der überlebt, ist Gott sei Dank kein menschlicher sondern nur ein militärischer „Verlust“ für die Kriegspartei, der er angehört. Die „linken antifaschistischen und antimilitaristischen“ Rommelkritiker (siehe unten 5) müssten an sich über jeden deutschen und italienischen Gefangenen erfreut sein. Aus ihrer Sicht ist jeder Gefangene wie auch jeder deutsche Deserteur ein Gewinn. Jeder von ihnen förderte ein nahendes Kriegsende und dürfte nicht als „Verlust“ betrachtet werden. Mit dieser falschen Berechnung der Verluste wird also maßlos übertrieben. Das kann nur dazu dienen, die „Kriegsschuld“ des Befehlshabers Rommel unsachlich zu erhöhen. Nach den Ausführungen bei wikipedia werden Tote, Vermisste und Gefangene ohne Differenzierung zusammengezählt. Da kommt man auf 771.899. Davon wurden allein ca. 300.000 Deutsche und Italiener durch die geschickte Rückzugsgefechte Rommels gerettet. Sie überlebten in der Kriegsgefangenschaft. Nach Remy aaO S. 175 gab es 32.342 gefallene Deutsche und Italiener sowie 51.976 getötete Briten und Amerikaner.
Rommel hat nicht „Millionen Minen“ verwendet. Wette beziffert die in Nordafrika verwendeten Minen ohne Beleg mit "vielleicht 20 Millionen" (aaO S. 6). Minen dienen in erster Linie dem Schutz eigener Stellungen. Das sah der interessierte Beobachter im Sommer 2023 in der Ukraine, als russische Minen die Befreiung besetzter Gebiete verhindern oder nachhaltig erschweren. Ein Bedürfnis für Minen gab es für die deutschen Truppen im Wesentlichen nur im heutigen Ägypten. Dort wurden von deutscher Seite 450.000 Minen hauptsächlich gegen Panzer verlegt (Lieb aaO S. 100). Solche Minen galten nach der damals einschlägigen Haager Landkriegsordnung (Art. 23 e) als erlaubt, weil Panzerminen keine "Waffen, Geschosse oder Stoffe sind, die geeignet sind, unnötig Leiden zu verursachen." Es machte keinen Unterschied, ob ein gegnerischer Panzer durch Minentreffer oder im direkten Beschuss zerstört wurde. Noch heute gelten Panzerminen als rechtmäßig. Die Ottawa-Konvention (in Deutschland: Gesetz zum Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung vom 30.4.1998 BGBl II S. 778) hatte nur gegen Personen gerichtete Minen geächtet. Die britische 8. Armee hatte die deutschen Panzerminen bei El Alamein in drei Tagen überwunden.
Der britische Kriegsgegner verwendete ebenfalls Minen. Sozialwissenschaftler Dr. Proske berichtet in Täter Helfer Trittbrettfahrer 3. Aufl. Gerstetten 2016 S. 155, 166 FN 59:
"Das "Jüdische Bataillon" von Bir Hakeim mit etwa 400 Soldaten unter Major Felix Liebmann hatte seit Mai 1941 Minen verlegt.... und traf zwischen dem 2.-11.6.1942 bei Bir el Harmat ....unfreiwillig auf Achsenstreitkräfte.."
Der britische Kriegsgegner wäre dazu berufen gewesen, sich über die unfaire Kriegsführung mit Minen zu beklagen. Das tat er aber nicht. Er stellte Rommel das Zeugnis der Ritterlichkeit aus.
Für Rommel gab es keine Rechtspflicht, die Minen beim Rückzug zu beseitigen. Eine solche Pflicht findet sich weder in der Haager Landkriegsordnung noch im strafbegründenden Kontrollratsgesetz Nr. 10. Im Nürnberger Urteil wird weder die Verwendung noch die unterlassene Beseitigung von Minen erwähnt. Selbst wenn es eine Rechtspflicht zur Beseitigung von Minen gegeben hätte, wäre die durch den übergeordneten Rechtsgrundsatz, dass das Recht nichts Unmögliches verlangen kann, während des Krieges außer Kraft gesetzt gewesen. Das gilt für die Truppen Rommels und natürlich gleichermaßen für die Soldaten des "Jüdischen Bataillons", die nach Dr. Proske über ein Jahr lang Minen verlegt hatten.
Verfehlt ist die Annahme von Prof. iR Dr. Wette auf S.7 der städtischen Webseite: " Die Kriegsparteien verlegten Minen in der Regel planvoll, um sie nach einer Schlacht wieder gezielt räumen und ihrem nächsten Einsatz zuführen zu können". Wie sollte das Einsammeln der Minen nach einer verlorenen Schlacht mit den damit verbundenen Verlusten an Soldaten und Fahrzeugen im Rückzug etwa bei El Alamein unter Beschuss geschehen? Soweit Prof. iR Dr. Wette aaO weiter ausführt, dass Pioniersoldaten, ohne sich um Minenverlegungspläne zu kümmern, Minen in Erwartung eines feindlichen Angriffs einfach vom LKW in den Wüstensand geworfen hätten, wird auch mit dieser Annahme die Wirklichkeit verfehlt. Die deutschen Minen waren in ihrer Masse in "Teufelsgärten" auf Befehl Rommels nach Plan verlegt (Lieb Krieg in Nordafrika aaO S. 99 f.).
Dass es im ehemaligen Kriegsgebiet noch heute deutsche, britische und italienische Minen gibt, die zu zivilen Opfern führen, ist ein Versagen der Nachkriegspolitik. Bei der weiteren Beurteilung soll nicht an der nach dem Ottawa-Abkommen an sich gebotenen Unterscheidung zwischen heute noch erlaubten Fahrzeug/Panzerminen und nicht mehr erlaubten Personenminen festgehalten werden. Es liegt nahe, dass durch Erosionsschäden die Aufhebungssperren an den Panzerminen nicht mehr funktionieren und die Panzerminen wegen solcher und anderer Schäden zu Personenminen wurden. Indes sind Libyen und Ägypten (wie die USA, Russland, China, Israel, Iran) dem Ottawa-Abkommen bis heute nicht beigetreten und können deshalb die aus dem Abkommen erwachsende Hilfe hinsichtlich einer Entfernung von Minen und der Erlangung von Schadensersatz nach Personenschäden nicht in Anspruch nehmen. Rommel für die heute noch in Ägypten und Libyen befindlichen Minen nach 77 Jahren erstmals verantwortlich zu machen, wie das in der Webseite der Stadt Heidenheim von 2020 geschieht, ist haltlos. Rommel hat auch damit nichts zu tun, dass es Ägypten (noch 2020) „an Mitteln fehlt, die betroffenen Gebiete komplett zu entminen“ (Wette aaO S. 7).
Bundeskanzler Schröder hatte gegenüber Diktator Ghadafi in Libyen die Prüfung deutscher Hilfe bei der Beseitigung von Minen zugesagt (FAZ 15.10.2004). Darin liegt eine Verneinung einer Rechtspflicht Deutschlands, diese Minen beseitigen und für die von deutschen Minen verursachten Schäden aufkommen zu müssen. Das ist noch heute juristisch korrekt. Libyen war zum Zeitpunkt der Minenverlegung italienisches Staatsgebiet. Schon das schließt Reparationsansprüche Libyens gegen Deutschland aus. Anspruchsgegner wäre das "Mutterland" Italien. Wegen dessen Kriegsführung (unter Zuhilfenahme Deutschlands) gibt es dort noch Minen. Für die deutsche Kriegsführung auf ägyptischem Boden gab es ebenfalls eine kriegsrechtliche Rechtfertigung. Ägypten wurde von britischen Truppen zum Krieg gegen Deutschland benutzt. Groß-Britannien hatte Deutschland vor dem deutschen Eingreifen in Nordafrika den Krieg erklärt. Deshalb waren deutsche Truppen berechtigt, gegen die britische 8. Armee in Ägypten Krieg zu führen. Ägypten hat bis heute auch keine Reparationsforderungen erhoben. Die Vorteile des Ottawa-Abkommens können Ägypten und Libyen nicht in Anspruch nehmen, weil sie diesem nicht beigetreten sind.
Richtig ist, dass deutsches Minenräumgerät zur Unterstützung Libyens und Ägyptens nicht zum Einsatz kam. Es wäre indes ein Leichtes gewesen, dies zu veranlsssen, auch ohne dass eine Rechtspflicht zur Beseitigung von deutschen Minen bestand. Es verwundert, dass Deutschland seine menschenrechts - und moralgeleitete feministische Außenpolitik unter Bundeskanzler Scholz und Ministerin Baerbock noch nicht auf dieses Kriegsrelikt gelenkt hat. Schließlich kommen auch Frauen und Kinder dort zu Tode.
Denn: ein sehr sinnvolles Entwicklungshilfeprojekt "Minenräumen in Nordafrika" ist jederzeit möglich. Es hätte schon viele deutsche Ministerinnen und Minister für Entwicklungshilfe und der Verteidigung verwirklichen können. Sie taten es aber nicht!
Mit an das Bundeskanzleramt gerichtetem Schreiben vom 19.9.2023 wurde dieser Sachverhalt vorgetragen und um eine ernsthafte Prüfung einer Beseitigung dieser Minen gebeten. Die Leiterin des Referats 213 (Naher Osten pp) Nina Bernhard teilte mit Schreiben vom 11. 10. 2023 mit, dass meine Eingabe zuständigkeitshalber an das Auswärtige Amt weitergeleitet worden sei. Dort würden die Projekte des "Humanitären Minen- und Kampfmittelräumens" bearbeitet. Eine Antwort fällt den Mitarbeiterinnen dort bis heute ersichtlich schwer. Trotz Erinnerungsschreiben vom 14.1.2024 und 31.5.2024 ist eine Antwort bis heute ausgeblieben. Zu Recht zeigte sich auch der Mitarbeiter der Heidenheimer "Geschichtswerkstatt" Manfrd Reppin in seinem Leserbrbief vom 6.2.2024 in der Heidenheimer Zeitung über den Umstand verwundert, dass die Minen auch heute noch nicht beseitigt sind.
Der Zusammenhang des von Prof. iR Dr. Wette Seite 7 festgestellten multinationalen Charakters des Wüstenkrieges mit Rommel bleibt im Dunkeln. Soldaten aus Groß-Britanniens Kolonien gehörten damals zwar einer eigenen Nation im Sinne neiner Abstammungsgemeinschaft an. Deren Kriegseinsatz stand indes allein unter dem Kommando der Kolonialmacht Groß-Britannien. Die Achsenmächte hatten nur einen Gegner, das Vereinigte Königreich. Deshalb konnte nichts "multinational" werden. Wenn die Kriegsgegner der Achsenmächte Soldaten aus 12 Ländern eingesetzt haben, trifft dafür Rommel ganz sicher keine Verantwortung.
4. Auch das Ansehen von Erwin Rommels Sohn wird beschädigt; Ministerpräsident Kretschmann ist ohne Aufklärung eines Widerspruchs insoweit ein politischer Opportunist
Der ehemalige Staatssekretär im baden-württembergischen Finanzministerium und Oberbürgermeister Stuttgarts Professor Dres. h.c. Manfred Rommel hat das Leben seines Vaters in seinen unmittelbar nicht angegriffenen Erinnerungen beschrieben (Manfred Rommel Trotz allem heiter aaO S. 1 bis 72). David Montgomery, der Sohn des britischen Feldmarschalls Bernhard Law Montgomery, reiste anlässlich der Rommel-Ausstellung im Mai 2009 eigens nach Stuttgart, um Manfred Rommel zu treffen. Unter der Überschrift "Söhne der Gegner als Freunde" berichtete die Südwestpresse Ulm am 5.5.2009 darüber. David Montgomery hatte über seinen Vater und Rommel damals gesagt: " Sie (Montgomery und Rommel) waren professionelle Soldaten, die ihre Arbeit gemacht haben. Es war sehr schade, dass mein Vater Erwin Rommel nach Kriegsende nicht treffen konnte" (SWP aaO).
Anlässlich des Todes von Manfred Rommel wurde dieser von Ministerpräsident Kretschmann "als Person der Zeitgeschichte" gewürdigt. Weiter sagte Kretschmann: "Wir haben den Verlust einer Leitfigur zu beklagen" (Südwestpresse Ulm 15.11.2013). Nunmehr muss sich Manfred Rommel von der Heidenheimer Webseite vorhalten lassen, dass Wesentliches, was er über seinen Vater publiziert hat, schönfärberische Lügen sind und er der Sohn eines Charakterlumpen ist. Ein Umstand sticht besonders hervor:
Manfred Rommel hat in seinem Buch "1944 - Das Jahr der Entscheidung" seinen Vater nicht als Kriegsverbrecher gesehen und auf Seite 210 den Tod seines Vaters - wie hier weiter begründet - zutrefffend als Mord des NS-Regimes bewertet. In dem in der Städtischen Webseite von Prof. iR Dr. Wette, Dr. Proske und Jooß kreierten Piktogramm Nr. 3 heißt es zum Tod Rommels: "Noch im erzwungenen Tod gehorchte er ergeben seinem Führer und Förderer." Erwin Rommel folgte danach also Hitlers Wunsch, sich selbst zu töten. Größer kann der Widerspruch zwischen der Bewertung Manfred Rommels und derjenigen der exponiertesten Kritiker Erwin Rommels nicht sein. Die behauptete Selbsttötung auf "Befehl" Hitlers ist dermaßen falsch, dass in der Verbreitung dieser Behauptung eine Ehrabschneidung zum Nachteil Manfred Rommels liegt. Hierdurch wird Manfred Rommel nämlich der Lüge bezichtigt.
Durch die notwendige Zustimmung zur Ehrung Dr. Proskes zur Verleihung der Staufermedaille im Oktober 2021 setzte sich Ministerpräsident Kretschmann in Widerspruch zu seiner Würdigung Manfred Rommels als "Leitfigur" im November 2013. Unter einer Leitfigur ist ein besonderes Vorbild mit besonderen Verdiensten für die Belange unseres Gemeinwesens zu verstehen, ausgestattet mit absouter Rechtstreue und vorbildlicher Moral. Diese Bewertung verbietet es, vom Verstorbenen für ganz wesentlich gehaltene und bis dahin kritiklos publizierte Umstände gegensätzlich zu bewerten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Ministerpräsident Kretschmann die Auffassung von Professor Dres. h.c. Manfred Rommel, sein Vater Erwin Rommel sei nicht an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen und sei vom NS-Regime ermordet worden, im November 2013 geteilt hatte.
Bei der Vorbereitung der Ehrung von Dr. Proske mussten bei Einholung der Zustimmung des Ministerpräsidenten die Vita und die Veröffentlichungen von Dr. Proske dem Ministerpräsidenten zur Kenntnis gebracht worden sein. Es sei denn, die Mitarbeiter des Staatsminsiteriums hätten versagt. Die Veröffentlichungen Dr. Proskes befassen sich an Zahl und Inhalt weit überwiegend mit der Charakterisierung von Erwin Rommel als Kriegsverbrecher, der vom Internationalen Gerichtshof in Nürnberg verurteilt worden wäre, als Mittäter an diversen NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit, als Handlanger beim Griff nach der Weltherrschaft und als willfähriger "NS-Täter." Dazu werden in der Webseite der Stadt Heidenheim fünf Einzelveröffentlichungen Dr. Proskes genannt. Daneben sind Eingaben an Behörden und Tagungsbeiträge gleichen Inhalts abrufbar. Hinsichtlich des Todes von Erwin Rommel bekennt sich Dr. Proske zur Miturheberschaft (im Piktogramm 3 a.E. Website www.rommel-denkmal.de) einer Selbsttötung Rommels auf Wunsch Hitlers (siehe oben 2: "noch im erzwungenen Tod gehorchte er ergeben seinem Führer und Förderer"). Hieraus folgt, dass sich der Ministerpräsident im Oktober 2021 bei der Zustimmung zur Verleihung der Staufermedaille an Dr. Proske dessen Auffassung über Erwin Rommel angeschlossen haben musste: Rommel war ein Kriegsverbrecher, der sich als Lakei Hitlers selbst umgebracht hatte.
Auf diesen Widerspruch wurde das Staatsministerium zuletzt mit Schreiben vom 22.2.2022 unter ausführlicher Begründung hingewiesen. Auf den Widerspruch ging das Staatsminsiterium in dessen Schreiben vom 23.3.2022 mit keinem Wort ein. Es wurde lediglich die schon im Schreiben vom 11.2.2022 gegebene Antwort präzisierend wiederholt: "Herr Dr. Proske wurde auch nicht für einzelne Aussagen oder historische Einordnungen, sondern für das große Gesamtwerk, als Herausgeber der Schriftenreihe "Täter Helfer Trittbrettfahrer" ausgezeichnet".
Das triftt nicht zu. Bei einer Ehrung "nur" wegen der Herausgeberschaft hätte es keiner mehrere Monate dauernden Überprüfung der Veröffentlichungen von Dr. Proske durch das Staatsministerium bedurft. Dazu hatte ich in vier Schriftsätzen vorgetragen mit Ausführungen und Anlagen, die Dr. Proske widerlegten. Das Staatsministerium hätte sofort auf den allein bedeutsamen Umstand der Herausgeberschaft abstellen können und müssen. Die behauptete Ehrung Dr. Proskes wegen der Herausgeberschaft steht ferner im Widerspruch zur Presseerklärung des Staatsministeriums vom 28.10.2021. Darin wird eine Erklärung der Wissenschaftsministerin Bauer zitiert: "Mit mehr als 200 Artikeln verfasst von nahezu 130 Autorinnen und Autoren haben Dr. Wolfgang Proske und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter ....." Nach dieser Erklärung ist also Dr. Proske der Hauptautor und wurde als solcher neben seiner Herausgeberschaft geehrt. Das wurde verdeutlicht in der Ansprache der Ministerin im Rahmen der Preisverleihung in Heidenheim. Die Heidenheimer Zeitung schreibt am 30. 10. 2021 Seite 10: "Bauer erinnerte daran, welche hitzigen Debatten der erste Band in Heidenheim insbesondere um die Person Erwin Rommel und dessen Denkmal auf dem Zanger Berg ausgelöst hat." Autor war Dr. Proske, der erstmalig 2010 Erwin Rommel ohne Belege für konkrete Verbrechen als Kriegsverbrecher "entlarvt" hatte. Dr. Proske wurde landesweit als Rommelkritiker bekannt. Der ehemalige Genralfeldmarschall steht im Zentrum von Dr. Proskes Veröffentlichungen. Dass bei dieser Sachlage die Ehrung Dr. Proskes auf die Herausgeberschaft begrenzt gewesen sei, ist abwegig.
Immerhin: die "nahezu 130 Autorinnen und Autoren" - also auch Dr. Proske - bezeichnet die Wissenschaftsministerin nicht als "Wissenschaftler:innen" sondern als "Streitende". Das spricht für sich.
Meine Forderung, das Staatsministerium möge Dr. Proske mitteilen, dass es dessen Einschätzungen, Erwin Rommel sei ein Kriegsverbrecher gewesen, der sich als Lakai Hitlers umgebracht hatte, nicht teilt, wurde also nicht Folge geleistet. Stattdessen wurde zu der vernebelnden und unehrlichen Ausrede gegriffen, Dr. Proske sei nur wegen seiner Herausgeberschaft geehrt worden. Das ist immerhin eine halbe Distanzierung und besagt, dass Dr. Proske wegen seiner eigenen Veröffentlichungen mit den unhaltbaren Aussagen über Generalfeldmarschall Rommel und den auf starke Kritik gestoßenen Ausführungen Dr. Proskes über den ehemaligen Erzbischof von Freiburg Dr. Conrad Gröber (Proske in Täter Helfer Trittbrettfahrer Gerstetten 2017 Band 6 S. 104 bis 136; dagegen Hans-Otto Mühleisen/Dominik Burkard Erzbischof Conrad Gröber reloeded Warum es sich lohnt, genauer hinzuschauen 2. Aufl. 2021 Lindenberg i.Allgäu) nicht ausgezeichnet wurde.
Die Auszeichnung Dr. Proskes hängt ganz naheliegend mit folgendem politisch relevanten Umständen zusammen: Ministerpräsident Kretschmann gehört dem "Realo-Flügel" der Grünen an und muss den "Fundi-Flügel" durch Zugeständnisse an seinen Kurs binden. Das konnte nahezu kostenlos und unauffällig durch die Ehrung von Dr. Proske als Extremkritiker von Generalfeldmarschall Rommel und Erzbischof Dr. Gröber geschehen sein. Solches gefällt jenem Teil der Partei "Die Grünen." Seit August 2020, dem Erscheinungsdatum der städtischen Webseite, ist durch die dort ausgewiesen Literaturliste und das Bekenntnis zur Urheberschaft bezüglich der "Piktogramme" sicher bewiesen, dass das "Lebenswerk" Dr. Proskes in der Entlarvung Rommels als Kriegsverbrecher und NS-Täter zu sehen ist. Das kann das Staatsministerium bei Einholung der Zustimmung Kretschmanns zur Ehrung von Dr. Proske nicht übersehen haben. Daraus folgt, dass Ministerpräsident Kretschmann der Krigesverbrecher- und Gehorsamsthese Dr. Proskes gefolgt und hierdurch von seiner gegenteiligen Einschätzung der "Leitfigur" Manfred Rommel abgerückt ist. Der Ministerpräsident ist durch die verweigerte Aufklärung dieses Widerspruchs und der ausflüchtigen Reduzierung der Ehrung Dr. Proskes auf die bloße Herausgeberschaft insoweit ein politischer Opportunist wie es leider viele Berufspolitiker sind. Das ist bedauerlich, weil Kretschmann durch seine Äußerungen über den Pazifismus (siehe unten sub 6) bewiesen hat, dass er über staatsrechtlichen und staatspolitischen Tiefgang verfügt.
Professor Dres. h.c. Manfred Rommel begrüßt den ehemaligen britischen Panzersoldaten Larry Rocksby während einer Gedenkfeier in Herrlingen
(Bild: Stabsfeldwebel a.D. Fritz Gerlach)
5. Zu den Grundannahmen der Webseiteverfasser Prof. iR Dr. Wette, Dr. Proske und Jooß
a) Unzutreffende Annahme einer Kollektivschuld aller deutschen Soldaten
Die Webseite geht davon aus, dass alle, die auf Seiten der Wehrmacht „mitgemacht“ haben, kleine Kriegsverbrecher waren, Rommel natürlich ein großer. Begründet wird das mit dem zur Webseite der Stadt gehörenden Festvortrag von Prof. iR Dr. Wette. Auf Seite 9 wird dafür der Bundestagsbeschluss vom 15.7.1997 (BT 13/S. 15830 betreffend BT Drs. 13/7669 (neu)) herangezogen und zustimmend auf eine Äußerung des Schriftstellers Giordano zu dem NS-Hauptverbrechen, "dem Krieg der Waffen", abgestellt (Prof. iR Dr. Wette aaO S. 10).
Der Beschluss des Bundestages bezeichnet den Zweiten Weltkrieg als ein "Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen". Das ist die Zuschreibung einer Straftat. Eine solche Feststellung findet sich im Nürnberger Urteil indes nicht. Das war schon deshalb nicht möglich, weil es für ein solches Verbrechen nach Artikel 6 des für den IMG verbindlichen Statuts vom 8.8.1945 im dann für die Strafbarkeiten maßgeblichen Kontrollratsgesetz Nr. 10 (KG 10) vom 20.12.1945 gar keinen Tatbestand gab. Das für die Strafverfahren grundlegende Londoner Abkommen hatte "die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achsenmächte" zum Ziel. Artikel 6 a) des Statuts und Art. II 1 b) KG 10 beschränkten sich deshalb folgerichtig auf "Verbrechen gegen den Frieden: nämlich Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges" (Urteil aaO S. 21). Der Bundestagsbeschluss verstößt also gegen den Grundsatz, dass es ohne Strafgesetz kein Verbrechen geben kann. Im Urteil (aaO S. 64) wird auch lediglich die "Überzeugung" des Gerichtshofs ausgedrückt, "daß der von Deutschland am 1. September 1939 begonnene Krieg ganz offensichtlich ein Angriffskrieg war, der sich folgerichtig in einen die ganze Welt umspannenden Krieg entwickeln mußte..." Die "folgerichtige" Entwicklung zum Weltkrieg und die dafür mögliche Verantwortlichkeit der deutschen Kriegsplaner werden nicht begründet. Das war auch nicht nötig, weil diese Aussage außerhalb einer strafrechtlichen Schuldsubsumtion getroffen wurde.
Eine Begründung dafür, dass "Deutschland" dieses "Verbrechen verschuldet" hat, gibt es weder im Nürnberger Urteil noch in dem Bundestagsbeschluss. Das Nürnberger Urteil richtet sich schon nicht gegen das "Deutsche Reich" sondern gegen einzelne Angeklagte. Das "Deutsche Reich" existierte als Prozessgegner zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung am 1.10.1946 auch nicht mehr und hätte schon deshalb nicht verurteilt werden können. Es gab keine deutschen Staatsorgane und kein deutsches Recht. In den Besatzungszonen waren die Besatzungsmächte die Inhaber der staatlichen Gewalt auf der Grundlage des Besatzungsrechts. Das änderte sich erst mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Dadurch wurde "ein Teil Deutschlands neu organisiert", ohne dass die Bundesrepublik Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches geworden war (BVerfGE 36, 1 16 RdN 55). Das ist die Lehre von der "Teilidentität der Bundesrepublik mit dem Deutschen Reich" (BVerfGE aaO). Diese führte zu keiner "Schuldübernahme" der Rechtsbrüche staatlicher deutscher Organe ab 1.9.1939 durch die Bundesrepublik. Die Wiedergutmachungsleistungen der Bundesrepublik für 12 europäische Staaten und Israel erfolgten ohne friedensvertragliche Regelungen freiwillig.
Daneben hätte ein Staat genausowenig wie ein Unternehmen Verbrechen begehen können (vgl. Weber, Rechtswörterbuch 24. Aufl. 2022 Verbandsstrafrecht Absatz 1). Das ist Menschen vorbehalten. Nur die verstehen Sinn und Bedeutung von (für Verbrechen verhängte) Strafen und sind gegenüber der Wirkung einer Strafe empfänglich. "Strafe kann sich daher immer nur an individuell benannte natürliche Personen richten, nicht dagegen an Kollektive" (Weber aaO). Sämtliche Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof richten sich dann auch stets gegen natürliche Personen.
Soweit sich die Bundesrepublik Deutschland am 5.5.2008 der Fakultativklausel des Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut und damit der vollen Gerichtsbarkeit des IGH unterworfen hat (Herdegen aaO § 63 S. 529 Rdn. 3 bis 5), konnte dies zu keinem Verfahren und zu keiner Feststellung einer Verletzung einer internationalen Verpflichtung des Deutschen Reiches in den Jahren 1939 bis 1941 im Zusammenhang mit dem Kriegsbeginn gegen bestimmte Länder führen. Eine Rückwirkung für Jahrzehnte zurückliegende Pflichtverletzungen ist ausgeschlossen. Das sieht auch die Bundesregierung so: trotz aller aktuellen Schuldbekenntnisse der Bundesregierungen seit der Kanzlerschaft Dr. Merkels hält die Bundesregierung bisher am Charakter einer abschließenden Regelung der mit den 12 europäischen Ländern und Israel abgeschlossenen Verträgen über Wiedergutmachungsleistungen fest. Verurteilungen der Bundesrepublik zum Ersatz weiterer Kriegsschäden erscheinen demnach zur Zeit als ausgeschlossen. Die Lehre von der Teilidentität (BVerfGE 36 1,16) wird bisher nicht als Grundlage für eine Übernahme aller Pflichtverletzungen des Deutschen Reiches durch die Bundesrepublik angesehen.
Eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtliche Delikte wurde nach Maßgabe der International Law Commission von der UN-Generalversammlung 2004 "nicht als Vertragstext sondern als eine Art Kodex der Regeln für völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit genommen" (Herdegen aaO § 58 1. S. 499 Rdn. 1). Das konnte der Bundestagsbeschluss vom 15.7.1997 für seine Zwecke für die Zeit von 1939 bis 1941 für Kriegsführungen des Deutschen Reiches sicher noch nicht verwenden.
Das Nürnberger Urteil hat zwar über die individuellen Schuldfeststellungen hinaus Feststellungen zu verbrecherischen NS-Organisationen getroffen (Nürnberger Urteil aaO S. 139 bis S. 163 zu Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei, Gestapo und SD sowie SS). Damit war aber noch nicht die Bestrafung von deren Mitgliedern wegen der bloßen Mitgliedschaft verbunden. Dafür wurde in Art. 10 des Statuts den Signatarstaaten erst einmal die Ermächtigung erteilt, Mitglieder einer solchen verbrecherischen NS-Organisation wegen ihrer Mitgliedschaft zu bestrafen. Der dahingehende Straftatbestand folgte in Art II d des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20.12.1945. Darin wurde zum Verbrechen erklärt: "Zugehörigkeit zu gewissen Kategorien von Verbrechervereinigungen oder Organisationen, deren verbrecherischer Charakter vom Internationalen Miilitärgerichtshof festgestellt worden ist." Damit wurden nicht die Organisationen zu Verbrechern. Die waren schon aufgelöst worden. Straftat ist die frühere Zugehörigkeit der natürlichen Personen zu einer solchen Organisation, wie das heute § 129 StGB auch kennt.
Hinsichtlich der Kriegsvorbereitung und -führung hätte ihrer Funktion nach die "Reichsregierung" im Mittelpunkt der Betrachtung stehen können. Die Mitglieder der Reichsregierung hätten für das Reich als ein verantwortliches verbrecherisches Kollektiv im Sinne einer strafrechtlichen Mittäterschaft (nach US-amerikanisch geprägten Recht des IMG "Verschwörung" zum Angriffskrieg) auch mit dem Reichskanzler, Oberbefehlshaber und Reichspräsident Hitler als Mittäter handeln können. Das taten die Mitglieder der Regierung aber nicht, weil es die Reichsregierung zur Tatzeit ab 1939 schon nicht mehr gab.
Es müsse bemerkt werden, "daß von jenem Zeitpunkt an, der als Beginn des Bestehens einer Verschwörung zur Unternehmung eines Angriffskrieges angesehen werden kann, die Reichsregierung keine Körperschaft mit Regierungsfunktion mehr bildete, sondern lediglich eine der absoluten Kontrolle Hitlers unterliegende Mehrheit von Verwaltungsbeamten war" (Urteil aaO S. 166). Nachdem auch der Generalstab und das Oberkommando der Wehrmacht nicht als verbrecherische Organisationen eingeordnet wurden (Urteil aaO S. 168 bis 171), findet sich im Nürnberger Urteil kein für die als Verbrechen qualifizierten Angriffskriege verantwortliches Kollektiv, sondern "nur" Einzelpersonen, die - gemeinsam mit anderen Verbrechen - dafür mit dem Tod bestraft wurden (Urteil S. 172 ff. betreffend Göring, Ribbentropp, Keitel, Rosenberg, Jodl). Heß wurde zu lebenslangem Gefängnis und von Neurath zu 15 Jahren Haft verurteilt (Nürnberger Urteil aaO S. 299). Im Nürnberger OKW-Prozess wurden alle 14 Angeklagte, darunter zwei Generalfeldmarschälle, von dem Vorwurf, Angriffskriege geplant und dadurch Verbrechen gegen den Frieden begangen zu haben, freigesprochen (referiert von Wolfram Wette, Die Wehrmacht 2. Aufl. Frankfurt 2013 S. 212 bis 216).
Es versteht sich von selbst, dass auch das gesamte deutsche Volk als Kollektiv für den Krieg und die in ihm begangenen Verbrechen keine strafrechtliche Schuld treffen kann. Im 6. Nachfolgeprozess zum Nürnberger Prozess (Vereinigte Staaten gegen Carl Cranch und andere; IG Farben Prozess) wird das begründet:
"Es ist undenkbar, dass die Mehrheit aller Deutschen verdammt werden soll mit der Begründung, dass sie Verbrechen gegen den Frieden begangen hätten. Das würde der Billigung des Begriffes der Kollektivschuld gleichkommen und daraus würde logischerweise eine Massenbestrafung folgen, für die es keinen Präzedenzfall im Völkerrecht und keine Rechtfertigung in den Beziehungen zwischen den Menschen gibt" (zitiert nach Bundeszentrale für politische Bildung https//www.bpb.de antisemitismus).
Das wird bestätigt durch das Ergebnis der aktuellen Diskussion um die Verantwortlichkeit für den (verbrecherischen) Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Bundespräsident Dr. Steinmeier hat betont, es sei "Putins Krieg" und nicht der des russischen Volkes. Zwar billigt eine übergroße Mehrheit der Russen diesen Krieg, nicht anders als die Deutschen Hitler lange zujubelten und den für sie freiwilligen oder verpflichtenden Kriegsdienst erfüllten. Eine Kollektivschuld trifft dadurch aber weder das heutige russische noch das damalige deutsche Volk, noch deren Soldaten oder gar die Nachgeborenen. Die alle hatten zur Kriegsfrage nichts zu bestimmen.
Die Feststellungen im Bundestagsbeschluss überhöhen also die Schuldfeststellungen im Nürnberger Urteil. Sie entfernen sich von den maßgeblichen Straftatbeständen des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 (Zu der diesen innewohnenden Problematik möglicherweise unzulässiger Rückwirkung wird hier nicht eingegangen; vgl. dazu Rudolf Aschenauer Zur Frage einer Revision der Kriegsverbrecherprozesse Nürnberg 1.9.1949 S. 5-10; sehr beachtliche Einwände gegen das in der Nachkriegsrechtsprechung suspendierte Rückwirkungsverbot bei Bernhard Schlink Vergangenheitsbewältigung Zürich 2007 S. 99-101, 103f.). Das alles geschah durch Mitglieder des Deutschen Bundestages in einer für Juristen unfassbaren Weise ohne jede Auseinandersetzung mit dem Nürnberger Urteil und ohne jede weitergehende rechtliche oder geschichtswissenschaftliche Begründung. Im Nürnberger Urteil wird differenziert nach den Kriegsgegnern Deutschlands von strafbaren Verbrechen eines jeweiligen "Angriffskrieges" oder nicht ausdrücklich strafbaren "Angriffskriegshandlungen" ( Urteil aaO S. 55 bis 79: von Polen bis zur Sowjetunion) ausgegangen.
Höchst bemerkenswert und für weitere Beurteilungen entscheidend ist indes, dass nach dem Nürnberger Urteil die Einsatzgebiete Rommels im Krieg gegen Frankreich, gegen das Vereinigte Königreich und die USA in Nordafrika sowie in Frankreich nach der Invasion und gegen die abtrünnigen italienischen Verbände gerade nicht den von Deutschland geführten "Angriffskriegen" zugerechnet werden. Auch gegenüber den Benelux-Ländern wird kein "Angriffskrieg" sondern eine "Angriffskriegshandlung" (Urteil aaO S. 73) angenommen, also noch kein verbrecherischer Angriffskrieg. Aus diesem unzutreffenden Bundestagsbeschluss wurde von Prof. iR Dr. Wette gefolgert, dass das Führen dieses Krieges - nicht die Ermordung der europäischen jüdischen Bevölkerung - das Hauptverbrechen der Nationalsozialisten war. Prof. i.R. Dr. Wette schließt sich Seite 10 aaO ausdrücklich dem Schriftsteller Giordano an, der "den Krieg der Waffen als das Hauptverbrechen des Nationalsozialismus" bezeichnete. Diesen Krieg hatten die deutschen Soldaten zu führen, die hierdurch alle zu Ausführenden des Hauptverbrechens der Nationalsozialisten gemacht werden. Das ist die Begründung einer Kollektivschuld aller deutschen Soldaten.
Dies widerspricht weiteren Feststellungen des Nürnberger Urteils. Das Urteil stellt ja erstmalig in der Rechtsgeschichte die Schuld einzelner Personen, einzelner Funktionsträger des NS-Staates und der NS-Partei und einzelner Militärs für Angriffskriege fest (Nürnberger Urteil aaO S. 172 ff.;). Unter den Verurteilten ist niemand, der eine Generalfeldmarschall Erwin Rommel ähnliche Funktion vor dem und in dem Krieg ausgeübt hatte. Ganz im Gegenteil: Das Urteil begründet aaO S. 169f. warum Kommandanten der Armeekorps, das war Rommels zeitweilige ranghöchste Verwendung, gar nicht erst angeklagt wurden. Die Wehrmacht als Ganzes wurde nicht als verbrecherische Organisation bewertet. Danach steht fest, dass die pflichtgemäße Teilnahme am Krieg ohne individuelle Schuldnachweise nicht als Teilnahme an einem Verbrechen bewertet werden darf. Dass Rechtsnormen des NS-Staates bei unerträglichem Widerspruch zur Gerechtigkeit nach der Radbruchschen Formel unverbindlich sein konnten (Weber, Rechtswörterbuch 24. Aufl. 2022 sub Radbruchsche Formel) wie auch verbrecherische Befehle, betraf das Handeln Rommels nicht. Er hatte solche Gesetze nicht vollzogen und solche Befehle nicht erteilt oder befolgt.
b) Unterlassene Würdigung verbotener Abwertung der pflichterfüllenden deutschen Soldaten
Die in dem Bundestagsbeschluss genannte weitere, in der Webseite der Stadt Heidenheim indes verschwiegene Feststellung auf Seite 2 und 3 der BT Drs. 13/7669 lautet:
„Eine Rehabilitierung von Deserteuren und die Entschädigung der Überlebenden bedeuten keine Abwertung der deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs.“
"Keine Abwertung" der deutschen Soldaten setzt voraus, dass die Soldaten bestimmte Werte verfolgt und verwirklicht hatten, die ihnen verbleiben und die in der Bundesrepublik Deutschland weiter Beachtung genießen. Zu denken ist an Kameradschaft, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Tapferkeit, Heimatliebe, Disziplin, Gehorsam, Mut, Entschlossenheit, Tatkraft.
Indes versteht der Beschluss laut der "Erläuterung" auf Seite 3 sub 4 aaO die Formel "keine Abwertung" nicht in diesem vom Wortsinn gebotenen Verständnis. Dort wird ausgeführt:
"Die meisten Soldaten wollten die Pflicht erfüllen, die sie ihrem Vaterland zu schulden glaubten, oder sie sahen keine Möglichkeit, sich dem Kriegsdienst zu entziehen."
Das sind Abwertungen! Damit wird der Vorwurf erhoben, dass die pflichterfüllenden Soldaten ihre wahre Pflichtenstellung gerade nicht erkannt hatten. Der Grund hierfür, etwa Dummheit, Trübung der intellektuellen Fähigkeiten infolge nationalsozialistischer Indoktrination oder Zugehörigkeit oder Nähe zum Regime, bleibt offen. Denjenigen Soldaten, die keine Möglichkeit sahen, sich dem Kriegsdienst zu entziehen, wird aufgezeigt, dass die Desertation geboten gewesen wäre. Im hier zu bewertenden Zusammenhang, warum Deserteure zu rehabilitieren sind, wird den nicht desertierten Soldaten die klare moralische - nicht rechtliche, weil das unmöglich wäre - Höherwertigkeit der Desertation entgegengehalten. Auch das ist eine Abwertung. Der Bundestagsbeschluss postuliert also "keine Abwertung" und nimmt eine solche im Widerspruch dazu in seinen "Erläuterungen" in massiver Weise selbst vor.
Hierdurch widerspricht der Bundestagsbeschluss der "Ehrenerklärung" des späteren Präsidenten der USA, U.S. Army General Dwight D. Eisenhower, NATO-Oberbefehlshaber, vom 22.1.1951:
"Der deutsche Soldat hat für seine Heimat tapfer und anständig gekämpft", sogar unter Widerruf seiner zuvor in einem Buch geäußerten gegenteiligen Einschätzung
sowie der im Namen der Bundesregierung von Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer am 3. 12.1952 im Deutschen Bundestag abgegebenen Erklärung,
"dass wir alle Waffenträger unseres Volkes, die im Namen der hohen soldatischen Überlieferung ehrenhaft zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft gekämpft haben, anerkennen."
Diese Erklärungen waren den Bundestagsabgeordneten 1997 entweder unbekannt oder sie wurden ignoriert. Adenauer bezog sich zu Recht nur auf die "ehrenhaft" Kämpfenden. Dadurch waren Kriegsverbrecher ausgeschlossen (zum vertieften Verständnis der "Ehre" siehe unten 6). Die Erklärungen Eisenhowers und Adenauers erfolgten jedenfalls in Kenntnis der Nürnberger Prozesse und in Kenntnis von Folgeprozessen, in denen auch Angehörige der Wehrmacht wegen Kriegsverbrechen verurteilt worden waren. Daraus folgt, dass die "Ehrenerklärungen" die Millionen deutsche Soldaten betraf, die ohne individuelle Exzesse am Kriegsgeschehen teilgenommen hatten. Das stimmt mit den Wertungen des Nürnberger Urteils überein, in dem die Wehrmacht gerade nicht als verbrecherische Organisation eingestuft wurde. Den deutschen Generalstabsoffizieren und dem OKW wurde weitgehende Ähnlichkeit ihrer Tätigkeit mit der alliierter Offiziere in entsprechender Stellung bescheinigt (Urteil aaO S. 113). Vor diesem Hintergrund hätte der Deutsche Bundestag 1997 erklären müssen, warum die Einschätzung des ehemaligen Bundeskanzlers und seiner Regierung juristisch und/oder geschichtswissenschaftlich falsch war. Das ist unterblieben.
Nach alledem ist die vom Deutschen Bundestag nach dessen Verständnis verwendete Formel "keine Abwertung" substanzlos und war naheliegend lediglich ein untaugliches "Signal" zur Beruhigung konservativer Wähler.
c) Verstoß gegen bundesgesetzliche Wertung
Verbindliche Festlegungen der bundesdeutschen Rechtsordnung, an die der Bundestatgsbeschluss vom 15.7.1997 nicht gedacht hatte, verbieten aus Rechtsgründen sogar jede "Abwertung" der Soldaten und stehen der Annahme einer Verstrickung aller deutschen Soldaten in Kriegsverbrechen durch deren bloße Pflichterfüllung entgegen.
Es besteht nämlich das rechtliche Verbot, die bloße Kriegsteilnahme als rechtswidrige Handlung zu werten. Diese Sichtweise liegt dem Bundesversorgungsgesetz (Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges) von 1950 zu Grunde. Wer im militärischen Dienst, das ist nach § 2 jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst, verletzt wurde, stehen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland die im Gesetz genannten Entschädigungsansprüche auf der Grundlage des allgemeinen Aufopferungstatbestandes zu (Brause, Erziehungsbeihilfen nach § 27 Bundesversorgungsgesetz, Dissertation, Darmstadt 1975, S. 30 bis 33; die frühe eine andere Einordnung vornehmende Entscheidung des BVerfG E 1,16 ist lediglich Ausdruck blanker Not der Nachkriegszeit und wird durch BVerfGE 36,1,16 modifiziert). Die Bundesrepublik Deutschland betrachtet den von den deutschen Soldaten verlangten Dienst -selbstverständlich- als rechtmäßig. Das folgt aus dem Grundsatz, dass rechtswidrige Handlungen von Staatsbürgern - das wäre die Mitwirkung am verbrecherischen "Angriffs- und Vernichtungskrieg" im Sinne des Bundestagsbeschlusses von 1997 - den Aufopferungstatbestand nicht erfüllen könnten und den Staat nicht zu Entschädigungen hätte berechtigen können. Das wird mittelbar bestätigt durch die 1997 in § 1a des Gesetzes eingefügte Verwirkungsklausel. Danach werden Leistungen versagt, wenn der Berechtigte "während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit.....verstoßen hat." Die Verwirkungsklausel ist indes nicht in der Lage, das Wesen der Anspruchsgrundlage, zu der sie in Bezug steht, zu ändern. Die Verwirkungsklausel setzt individuelle Schuld voraus und bestätigt den Grundsatz, dass Hunderttausende kriegsversehrte ehemalige Soldaten ohne eigene Rechtsverstöße im Kriege weiter anspruchsberechtigt sind, weil sie Schäden erlitten hatten, die unter den Aufopferungstatbestand fielen.
Der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15.7.1997 ist demnach kein tauglicher Beleg für eine rechtliche oder moralische Kollektivschuld. Er ist hinsichtlich der postulierten fehlenden "Abwertung" widersprüchlich. Er widerspricht ferner der bundesdeutschen Gesetzeslage und ist als ein in einer bloßen Entschließung enthaltenes "Signal" ohne jede Rechtsgeltung und deshalb für alle bemühten Zusammenhänge ohne Belang.
Daraus - wie in der Webseite der Stadt Heidenheim geschehen - weitestgehende Ableitungen zum Nachteil Rommels und quasi aller deutschen Soldaten ohne jeden individuellen Schuldnachweis zu postulieren, ist denkfehlerhafte oder interessengesteuerte "Erinnerungspolitik".
6. Grundsätzliches zu Recht, Moral und Ehre
Es ist sachlogisch zwingend, dass für die rechtliche Bewertung des Verhaltens der Wehrmachtsangehörigen deren damalige durch das Recht geprägte Pflichtenstellung maßgebend war. Die vom ehemaligen Marinerichter und späteren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Dr. Hans Filbinger 1978 bundesweit bekannt gewordene Rechtsauffassung, "was damals rechtens war, das kann heute nicht Unrecht sein" (siehe Kellerhoff Die Welt 7.8.2022) ist indes nur eingeschränkt richtig. Nach der "Radbruchschen Formel" war positives (NS-)Recht unbeachtlich, wenn es in unerträglicher Weise der Gerechtigkeit widersprach. Nach diesem Maßstab waren auch Vernichtungs- und Mordbefehle entgegen dem damals geltenden Gesetz, das die Verbindlichkeit aller Befehle verlangte, an sich unverbindlich. Indes gilt auch insoweit der Grundsatz, dass das (geläuterte) Recht nichts Unmögliches verlangen konnte. Hätte die Missachtung eines Befehls etwa zur eigenen Exekution, Verhaftung von Familienangehörigen, KZ-Einweisung des Verweigerers geführt, durfte auch das (geläuterte) Recht die Missachtung des Befehls nicht strafrechtlich vorwerfbar verlangen.
Auch der Moral entnommene Gebote hätten kein größeres Maß an Selbstaufopferung verlangen dürfen. Zwar ist insoweit die Maxime "wo Unrecht Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht" an sich zutreffend. Die Ausübung von Widerstand stand indes hinter den Schranken des Möglichen und Zumutbaren. Diese Schranken waren für in strenger Befehlsstruktur befindliche Soldaten besonders hoch. Das wird von den heute als herrschend verbreiteten Moralvorstellungen leichtfertig übersehen. Die plakative Aussage etwa des Vizepräsidenten der Universität Tübingen in dessen Schreiben vom 14.4.2022 - im Zusammenhang mit einer vorgetragenen Kritik an der sozialwissenschaftlichen Fakultät wegen Zuerkennung des Bachelorgrades an Daniel Sternal - an den Verfasser, es könne kein richtiges Leben im falschen geben, ist dafür ein eindrucksvoller Beleg für eine solche Fehlvorstellung. Auf Beschwerde des Verfassers wurde diese Aussage durch den Rektor der Universität mit Schreiben vom 12.5.2022 wegen fehlender Zuständigkeit des Vizepräsidenten wieder zurückgenommen.
Bewertungsmaßstab müssen die jeweiligen konkreten Lebensumstände sein (vgl. Bernhard Schlink Erkundungen 2015; Die Kultur des Denunziatorischen S. 49 f.). Eine Pflicht zur Selbstaufgabe im erfolglosen Widerstand existierte nicht. Der von der Historikerin Dr. Cornelia Hecht erkannte Schatten des verbrecherischen Regimes auf der Bewertung der Leistungen der Soldaten kann nur die betreffen, die ohne eigene Verbrechen ihre Pflicht erfüllt hatten. Auf die Verbrecher fällt ja mehr als ein Schatten. Damit lässt Dr. Hecht die Erklärungen Adenauers und Eisenhowers, dass diese Soldaten "ehrenhaft" gekämpft haben, nicht mehr gelten. Schatten eines verbrecherischen Systems und Ehre schließen sich gegenseitig aus. Ob diese Auffassung richtig ist, bedarf näherer Betrachtung:
Wer als Soldat an einem verbrecherischen Angriffskrieg/Vernichtungskrieg auf Befehl teilnehmen musste, ohne sich Exzessen schuldig gemacht zu haben, ist strafrechtlich ohne Schuld. Dieser Rechtssatz wurde im Rahmen der Bewertung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine aktuell bestätigt.
Gerd Henkel in ntv 2022 15.10.2022: "Ein Angriffskrieg ist ein Führungsverbrechen. Wer ihn plant oder befiehlt, macht sich strafbar. Eine allgemeine Pflicht des befehlsunterworfenen Soldaten zum Widerstand ist wegen drohender existentieller Nachteile (etwa Exekution bei Befehlsverweigerung) nicht anzuerkennen. Mit dem eigenen Leben muss niemand für einen anderen einstehen" .
Indes hätte kein auf Befehl handelnder Soldat etwa bei der totalen Zerstörung von von Zivilisten bewohnten Städten "ehrenhaft" im Sinne der Nachkriegspolitiker Adenauer und Eisenhower gehandelt (siehe oben 5 b)). Die meinten natürlich eine Kriegsführung nach den anerkannten Regeln. Diese erlaubten zum Beispiel die totale Zerstörung von von Zivilisten bewohnten Städten nicht. Adenauer und Eisenhower blendeten sicher auch den Vernichtungskrieg Deutschlands gegen die Sowjetunion in ihren Äußerungen in den Jahren 1951 und 1952 aus. Wer objektiv an der Verwirklichung eines Verbrechens teilnimmt - auch auf Befehl - , kann nämlich keine Ehre erwerben, weil er objektiv gegen das Sittengesetz verstößt. Das ist der "Schatten", der auf die an einem solchen Krieg teilnehmenden Soldaten fällt. Die Kriegsschauplätze, die nach dem Nürnberger Urteil nicht als deutsche Verbrechen eingestuft wurden (Frankreich, Nordafrika, Italien) bleiben indes von dem "Schatten" unberührt. So sehen das auch Prof. Dres. h.c. Manfred Rommel (siehe oben sub IV.) und die westlichen alliierten Kriegsgegner. Von denen hatte keiner etwas Rechtswidriges, Verbrecherisches, Unehrenhaftes oder sonst "Schatten" Begründendes an dem Verhalten der deutschen Soldaten unter der Führung Rommels in Frankreich und Nordafrika geltend gemacht. Feldmarschall Bernard Montgomery hatte sich am 14.7.1944 anerkennend über den Widerstand der Wehrmacht nach der gelungenen Invasion geäußert (Ruge aaO S. 215). Dessen Sohn sagte im Mai 2009 Respektvolles über den Soldaten Erwin Rommel (siehe oben VI. 7).
Als jedenfalls belangvoll halte ich den Schatten Dr. Hechts als Frage an die Kriegsgeneration, warum habt ihr nicht anders gehandelt? Ich sehe auch einen Anspruch der Nachkriegsgeneration auf eine ehrliche Antwort durch die Kriegsgeneration. Relevant ist der Schatten auch als staatspolitischer Vorhalt an die nachfolgenden Generationen, nie einem ruchlosen Diktator zu folgen und als Erkenntnis der Nachfolgenden, dass es sicher besser gewesen wäre, niemand wäre Hitler und der NS-Ideologie angehangen.
In der Grundannahme der Verfasser der Webseite steckt eine leider typisch deutsche Umkehrung. Hatte man die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland den Ruf der „sauberen“ Wehrmacht als allein richtig zu begründen versucht, gilt jetzt nur noch das genaue Gegenteil. Die Wahrheit, die dazwischen liegt, bleibt dabei auf der Strecke.
Die Stadt Heidenheim hat gegenüber dem Regierungspräsidium Stuttgart in einem Rechtsaufsichtsbeschwerdeverfahren eingeräumt, dass sich auf der Homepage die Wertungen in eine sich „seit der zweifachen Wehrmachtsausstellung in Deutschland ausbreitende – man kann sie links, antifaschistisch, antimilitaristisch nennen – Richtung neigen“. Hier neigt sich aber nichts mehr. Die Wertungen sind schon dorthin gefallen.
Trotz des „Persilscheins“ des baden-württembergischen Innenministeriums hat aus übergeordneten Erwägungen – die Parteien und nicht die Stadtverwaltungen prägen die Politik - keine deutsche Stadtverwaltung ein Mandat für die Verbreitung politischer Meinungen. Eine Stadtverwaltung hat sich ohne Rechtfertigung durch einen Gemeinderatsbeschluss – wie hier – in jeder Hinsicht politisch neutral zu verhalten. Schon deshalb darf sie eine Verantwortung für die in der Webseite verbreiteten Extremposition nicht übernehmen und für diese Webseite auch kein Steuergeld einsetzen. Zwar dürfen Gemeinderatsbeschlüsse politische Richtungen der Gemeinde festlegen. Sie sind indes an die von der Gemeindeordnung vorgegebene Zuständigkeit gebunden. Soweit „Antimilitarismus“ die „richtige“ Verteidigungspolitik Deutschlands berühren soll, hätte der Gemeinderat mangels Zuständigkeit gar nichts zu sagen, ebenso wenig wie früher hinsichtlich der „atomwaffenfreien Zonen“. Solange die Wehrverfassung in Art. 87a, 87 b und 115 a bis l Grundgesetz steht, darf keine Stadtverwaltung antimilitaristische Positionen vertreten.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 13.4.1978 (BVerfGE 48, S. 127, 160 Rdn. 59) den Verfassungsrang der Landesverteidigung mit Waffen festgelegt: "Nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG stellt der Bund Streitkräfte zur Verteidigung auf. Mit diesem nachträglich in das Grundgesetz eingefügten Bestimmungen hat der Verfassungsgeber zugleich eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die militärische Landesverteidgung getroffen. Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben verfassungsrechtlichen Rang."
Die Verteidigung Deutschlands mit Waffen ist demnach die Erfüllung einer der Verfassung entnommenen Pflicht.
Das gilt seit 24. Februar 2022 in gesteigerter Deutlichkeit. Die friedensbewegte, antimilitaristische Auffassung, die bisher als Mehrheitsmeinung verbreitet wurde, musste an diesem Tag einen schweren Dämpfer hinnehmen. Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine (vgl. §§ 13 Abs. 1, 1 Satz 2 Völkerstrafgesetzbuch) hat die Bundesregierung nach drei Tagen Bedenkzeit dazu bewogen, die Freiheit Deutschlands verteidigen zu wollen - durch Ausstattung der Bundeswehr zu der fähigsten Armee Europas. Sogar die nukleare Teilhabe soll aufrechterhalten bleiben. Die von Bundeskanzler Scholz am 27.2.2022 erklärte "Zeitenwende" ist bestätigt worden durch den Bundestagsbeschluss vom 28.4.2022 über die Lieferung schwerer Waffen zur Verteidigung der Ukraine. Durch die mit Zustimmung von zwei Dritteln aller Bundestagsabgeordneten beschlossene Grundgesetzänderung über das "Sondervermögen" für die Bundeswehr erhielt dieses politische Vorhaben, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands wieder herzustellen, die höchstmögliche demokratische Legitimation. Ein weiteres Verbreiten der antimilitaristischen Auffassung der Stadtverwaltung Heidenheim in ihrer Rommel-Webseite verstößt angesichts dieser Rechtslage gegen den Grundsatz der Bundestreue. Eine Geldausgabe für die antimilitaristische Webseite begründete den Verdacht der Untreue (§ 266 StGB).
Wir haben in diesem Zusammenhang Ministerpräsident Kretschmann für dessen klaren Worte im Südkurier vom 17.5.2022 Seite 3 zu danken:
""Man kann persönlich ein Pazifist sein, das anerkennt unsere Rechtsordnung, deshalb gibt es das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Aber der Staat kann nicht pazifistisch sein. Er muss seine Bürger schützen vor Gefahren im Inneren wie im Äußeren. Darin liegt ja ganz entscheidend seine Legitimation, wie wir seit Hobbes wissen."
Diese absolut zutreffende Auffassung ist leider noch nicht zu der 87 km östlich von Stuttgart ansässigen Stadtverwaltung Heidenheims durchgedrungen.
7.Persönliches und Fazit
Ich kannte mehrere schwerkriegsbeschädigte Heidenheimer Vereinskameraden meines Vaters gut. Wären „Kriegsverbrecher“ unter ihnen gewesen, hätte mein eher „links“ eingestellter Vater mit denen keinen Kontakt gepflegt. Mein Vater sah klar, dass er im Falle eines deutschen Sieges über die Sowjetunion sowjetische Arbeitssklaven mit dem Karabiner in der Hand hätte antreiben müssen. Diese Wahrscheinlichkeit lehnte er entschieden ab.
Die Heidenheimer Schwerkriegsbeschädigten liegen noch heute in Familiengräbern auf den beiden Heidenheimer Friedhöfen. Die Verbreitung der „linken, antifaschistischen und antimilitaristischen“ Auffassung der Stadtverwaltung Heidenheim hätte sie zu Recht auf das Tiefste empört. Das Leid dieser ehemaligen Soldaten, deren für sie mit jahrelangen Entbehrungen verbundenen Pflichterfüllung und das Ertragen ihrer Verletzungen (amputierte Arme, Beine, Erblindung, späte Eiterungen wegen im hohen Alter wieder austretender Granatsplitter) rufen mein Mitgefühl und meine Hochachtung hervor. Im Namen dieser Heidenheimer Kriegsopfer weise ich die Angriffe der Stadtverwaltung auf sie zurück. Ihr Andenken soll nicht länger durch unberechtigte Extremkritik an Erwin Rommel mit beschädigt werden.
Nach der überarbeiteten "geläuterten" Wehrmachtsausstellung Ende 2001 (nachdem etliche "Erkenntnisse" der "ersten" wegen interessengeleiterter schwerer Fehler zurückgezogen werden mussten) waren maximal 5 % der im Osten eingesetzten 10 Millionen Wehrmachtssoldaten konkret an Verbrechen beteiligt (Christian Hartmann Verbrecherischer Krieg - verbrecherische Wehrmacht? VfZ 1/2004 S. 1, 71; Kellerhoff Die Welt 23.11.2021). Damit ist für diese Soldaten aber noch keine Strafbarkeit bewiesen. Für die Vielzahl der Befehlsempfänger unter ihnen wäre zu belegen, wie sie sich ohne das eigene Leben zu riskieren, den verbrecherischen Befehlen hätten erfolgreich widersetzen können. Das Nürnberger Urteil weist darauf hin (aaO S. 92), dass nicht das "Bestehen eines verbrecherischen Befehls das entscheidende Moment" sei, "sondern die Frage, ob eine dem Sittengesetz entsprechende Wahl tatsächlich möglich war". Das widerspricht zwar der damaligen Rechtslage in den Ländern aller Kriegsparteien. Deren Gesetze verlangten strikten Gehorsam ohne dass eigene Erwägungen der die Befehle ausführenden Soldaten möglich waren. Erst in § 11 Soldatengesetz und § 22 Wehrstrafgesetzbuch ist die Unverbindlichkeit von verbrecherischen Befehlen vorgesehen. Das alles soll aber nicht weiter vertieft werden: die Verbrechen der deutschen Wehrmachtsangehörigen waren zahlreich und abscheulich.
Indes verurteilt die heutige links-grüne in der Öffentlichkeit sich als vorherrschend darstellende Meinung die "restlichen" 95 % der deutschen Soldaten allein aus ihrer heutigen moralisch-weltanschaulichen Sicht, die ganz sicher nur eine Minderheit teilt.
Dazu bemerkte schon der Historiker Ralph Georg Reuth aaO S. 273 im Jahr 2012 Zutreffendes:
"In den neunziger Jahren diskutierte Deutschland noch einmal die Kollektivschuldfrage der Nachkriegszeit. Nicht Historisierung des Dritten Reiches, sondern zunehmend politische Instrumentalisierung und Selbstgeißelung bestimmten fortan den Diskurs in einer immer geschichtsloseren Gesellschaft, welche die Vergangenheit ausschließlich mit den Werte- und Moralstandards der Gegenwart zu messen scheint."
Damit stimmt der australische Historiker Christopher Clark überein. Der hatte in seinem Buch "Die Schlafwandler" die in Deutschland vertretene weitestgehende Alleinschuld Deutschlands am ersten Weltkrieg widerlegt und auf die Frage seiner Kritiker, alles deutsche Historiker, darunter auch Prof. iR Dr. Wette, ob er keine Angst habe, dass sein Buch als Balsam für die deutsche Seele verstanden werden könne, geantwortet: "Nur in Deutschland wird mir vorgeworfen, ich wäre deutschfreundlich" (Seewald Die Welt 25.10.2013). Das sagt alles.
Die Überlebenden von den 95 % "sauber" gebliebenen deutschen Soldaten hatten nach Durchleiden von Krieg und Gefangenschaft den Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland zusammen mit den voll arbeitenden Frauen wesentlich mit aufgebaut. Die allein aus heutiger Sicht moralisierende Kritik an diesen Männern ob ihres Fehlverhaltens im NS- Staat als befehlsgebundene Soldaten ohne eigene Exzesse fällt auf ihre Kritiker zurück.
8.Anhang : Bundesverfassungsgericht: Die Äußerung "Soldaten sind Mörder" unterfällt strafloser Meinungsfreiheit
Die zuvor beschriebene Art von "Erinnerungspolitik" hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil vom 10.10.1995 BVerfGE 93, 266ff. mit den Boden bereitet. Diejenigen, die am Rommeldenkmal Sachbeschädigung (strafbar nach § 304 StGB als gemeinschädliche Sachbeschädigung) begangen hatten, verwendeten auch die für sie als Äußerungsdelikt straflose Aussage "Soldaten sind Mörder"(oben VI Bild 6). Wenn "Antimilitaristen" von dem dafür zuständigen Verfassungsorgan erlaubt wird, Soldaten -auch der Bundeswehr- straflos als Mörder zu bezeichnen, ist es nur folgerichtig, dass dieselben "Interessierten" alle Soldaten der Wehrmacht mit voller Überzeugung als Kriegsverbrecher einordnen.
a) Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, "Soldaten sind Mörder" unterfalle strafloser Meinungsäußerung ist hinsichtlich der Soldaten der Bundeswehr im Blick auf den Verteidigungsfall und dessen Vorbereitung dreifach rechtsfehlerhaft.
(1) Das Bundesverfassungsgericht verabschiedet sich von früherer Rechtsprechung, ohne das zu begründen (u. a. Minderrheitsvotum Richterin Dr. Haas aaO Rdn 181 bis 190).
In Verfassungsbeschwerdeverfahren wegen strafgerichtlicher Verurteilungen wie auch in strafgerichtlichen Revisionsverfahren gehen die Gerichte von dem Sachverhalt aus, den die Tatsachengerichte rechtsfehlerfrei festgestellt haben. In den hier zu würdigenden Verfahren ist das anders. Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine eigene Beweiswürdigung vor, hier vornehm "Sinnermittlung" (der Äußerung) genannt wird und sucht nach "alternative(n) Deutungen". Den Grundrechtsverstoß - Missachten der Meinungsfreiheit - sieht das Bundesverfassungsgericht bei den als Revisionsgerichten tätig gewesenen Oberlandesgerichten. Diese Gerichte hatten Verurteilungen von Landgerichten bestätigt, "Soldaten sind Mörder" seien strafbare Beleidigungen. Die Oberlandesgerichte waren nicht - wie das Bundesverfassungsgericht - auf die nämliche "Sinnermittlung" und "alternative Deutung" gekommen. Das durften sie gar nicht. Das Bundesverfassungsgericht übersieht, dass die Oberlandesgerichte, wie auch der Bundesgerichtshof in Revisiosnssachen, wegen notwendiger Beachtung des § 261 Strafprozessordnung (Grundsatz der freien Beweiswürdigung der Tatgerichte) eine eigene Beweiswürdigung gar nicht vornehmen dürfen. Eigene "Sinnermittlungen" und die Suche nach "alternativen Deutungen" sind für die Revisionsgerichte prozessrechtlich verboten. Das Bundesverfassungsgericht hätte deshalb judizieren müssen, dass § 261 Strafprozessordnung teilweise - für die hier in Rede stehenden Fälle der "Sinnermittlung" von Äußerungen - wegen Verstoßes gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit verfassungswidrig ist und nicht mehr angewandt werden darf. Solange das nicht geschehen ist, sind die Revisionsgerichte an § 261 Strafprozessordnung gebunden und müssten wegen ihrer Gesetzesbindung weiter wie bisher judizieren.
Auch im juristischen Schrifttum und in der Rechtsprechung wurde die Inanspruchnahme einer eigenen Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung von Äußerungen kritisiert (zahlreiche Nachweise bei Fischer StGB 70. Aufl. 2023 § 193 Rdn 25 f.). Der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eberhard Foth bewertete die weit gehende Anerkennung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) im Bereich öffentlicher Auseinandersetzungen durch das Bundesverfassungsgericht als eine Missdeutung der Meinungsfreiheit im Sinne einer Beschimpfungsfreiheit (Juristische Rundschau 1996 S. 254).
(2) Die Annahme der Straflosigkeit der Äußerung "Soldaten sind Mörder" verstößt gegen die gebotene Anerkennung verfassungsrechtlicher Pflichten im Verteidigungsfall und während dessen Vorbereitung
Die Soldaten der Bundeswehr dürfen in erster Linie nur zur Verteidigung eingesetzt werden (Art. 87a Abs. 2 GG) und zwar in einem "Verteidigungsfall", den nach Art. 115a GG der Bundestag feststellt.
"Jede Tötungshandlung durch Soldaten der Bundeswehr erhält dadurch den Charakter einer kollektiven Notwehr" (Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.1.1989 BGH St 36, 83). Schon das schließt die Annahme von "Mord" bei einem tödlichen Waffeneinsatz im Verteidigungsfall aus.
Ein tödlicher Waffeneinsatz trüge im Verteidigungsfall auch die Rechtfertigung durch das höchste deutsche Staatsorgan in sich. Der Bundestag stellt den Verteidigungsfall fest. Die Existenz der Bundeswehr und die mit dem Verteidigungsfall festgestellte Pflicht zur Verteidigung Deutschlands mit Waffengewalt sind weiter verfassungsrechtlich verankert:
"Nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG stellt der Bund Streitkräfte zur Verteidigung auf. Mit diesen nachträglich in das Grundgesetz eingefügten Bestimmungen hat der Verfassungsgeber zugleich eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung getroffen. Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben verfassungsrechtlichen Rang" (BVerfG Urteil vom 13.4.1978 BVerfGE 48, 127, 160 Rdn. 59).
Eine Tötungshandlung eines Soldaten im Verteidigungsfall entspräche also einer sich aus der Verfassung ergebenden Pflicht. Wer eine solche Pflicht unter Einsatz seines Lebens erfüllt, hat Anspruch auf allumfassenden Schutz durch den Staat. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Rechtsgüter Leben und Gesundheit, einschließlich des Rechts auf Versorgung bei bleibenden Schäden (siehe oben 5 c), sondern auch hinsichtlich des Rechtsguts der Ehre des Soldaten. Dieses Rechtsgut kann nicht von den übrigen Rechtsgütern der Soldaten ohne Willkür "abgetrennt" werden. In dieser Rechts- und Schutzkonstellation hat die Meinungsfreiheit - so die Äußerung "Soldaten sind Mörder" nicht gar eine Tatsachenbehauptung ist - zurückzutreten. Das kann nur geschehen durch die gebotene Anwendung der §§ 185 ff. StGB.
Diese Rechtslage ist nicht nur für den Verteidigungsfall maßgebend. Sie muss auch für die Vorbereitung des Verteidigungsfalles gelten, den Dienst in der Bundeswehr in Friedenszeiten. Eine Einschränkung des Ehrenschutzes der Soldaten in Friedenszeiten wäre eine willkürliche Ungleichbehandlung.
Unterscheidungsversuche dahingehend, dass "Soldaten sind Mörder" die Soldaten der Bundeswehr nicht erfassen sondern nur das "Soldatentum" und das "Kriegshandwerk" kritisieren, sind Haarspalterei. Wer die Soldaten der Bundeswehr vom Mördervorwurf ausnehmen will, muss das mitteilen. Der Wortlaut "Soldaten sind Mörder" erfasst nun einmal alle Soldaten. Wie wichtig die Beherrschung des "Kriegshandwerks" ist, zeigt die heldenhafte Abwehr der ukrainischen Armee gegen den russischen verbrecherischen Angriffskrieg (vgl. §§ 13, 1 Satz 2 Völkerstrafgesetzbuch) seit dem 24. Februar 2022. Ohne Soldaten gibt es in einem von einem Aggressor angegriffenen oder auch nur bedrohten Staat keine Freiheit.
Ich habe als Wehrpflichtiger im Kampfanzug und mit geladenem Gewehr (bei Alkoholverbot) die Alarmbereitschaft der Bundeswehr nach dem Einmarsch der Truppen des Ostblocks in die Tschechoslowakei zur Zerschlagung des "Prager Frühling" Ende August 1968 erlebt. Die Lage war angespannt. Die Privatgegenstände der Soldaten waren zum Postversand bereitgestellt. Der Ausmarsch aus den Kasernen und das Nachrücken von Reservisten standen unmittelbar bevor. Nur Ignoranten konnten an der Bedeutung der Bundeswehr für die Aufrechterhaltung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zweifeln. Wer wie ich damals für 3 DM Wehrsold am Tag mit einem Freiheitsverlust von 18 Monaten dem Staat gedient hatte, kann und wird sich niemals damit abfinden, sich straflos als Mörder bezeichnen lassen zu müssen.
(3) Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verstößt gegen einen elementaren Grundsatz der Rechtsordnung: die Wechselbeziehung zwischen Schutz und Gehorsam (Minderheitsvotum Richterin Dr. Haas aaO Rdn 191).
"Eine Rechtsordnung, die junge Männer zum Waffendienst verpflichtet und von ihnen Gehorsam verlangt, muss denjenigen, die diesen Pflichten genügen, Schutz gewähren, wenn sie wegen diesen Soldatendienstes öffentlich als Mörder bezeichnet werden. Dabei geht es nicht um die Konstruktion einer besonderen "Soldatenehre". Es geht um die schlichte Selbstverständlichkeit, dass die Verfassung , will sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren, diejenigen nicht schutzlos stellen darf, die ihre Gebote befolgen und (ausschließlich) gerade deshalb angegriffen werden."
Diese Erwägung betrifft Wehrpflichtige, Zeit- und Berufssoldaten in gleichem Maße. Das ergibt sich auch unmittelbar aus dem geltenden Soldatengesetz. § 1 Satz 2 lautet: "Staat und Soldat sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden." Die Treuepflicht des Staates gebietet dann auch, dienstbezogene Angriffe auf die Ehre der Soldaten zu unterbinden.
b) Auch für Auslandseinsätze gilt das umfassende Schutzgebot und die Strafbarkeit von "Soldaten sind Mörder".
Am 18.5.2005 wurde für Auslandseinsätze das Parlamentsbeteiligungsgesetz (BGBl. I S. 775) beschlossen. Danach genehmigt der Deutsche Bundestag jeden Einsatz. Das impliziert die Feststellung, dass diese Einsätze rechtmäßig sind bis das Bundesverfassungsgericht deren Rechtswidrigkeit festgestellt hat. In solchen Fällen ist die verfassungsrechtliche Legitimation einer möglichen Tötungshandlung eines Soldaten zwar nicht so stark wie im Verteidigungsfall. Die Verteidigung ist verfassungsrechtlich geboten, ein Auslandseinsatz kann noch nach den Regeln politischer Opportunität erfolgen. Der Schutzanspruch des Soldaten entspricht aber auch hier dem, der im Verteidigungsfall zu beachten ist. Dafür maßgeblich ist die gleiche Legitimation des Einsatzes durch den Bundestag in beiden Fallkonstellationen. Eine Differenzierung dahingehend, dass im Verteidigungsfall und dessen Vorbereitung die Ehre des Soldaten geschützt ist, im Auslandseinsatz aber nicht, wäre eine willkürliche Ungleichbehandlung. Die Aussage "Soldaten sind Mörder" wäre also auch in diesem Fall strafbar.
c) Keine Prüfung hinsichtlich der Soldaten der Wehrmacht
Nachdem von einer Minderheit ernst genommene Autoren "den Krieg der Waffen" als NS-Hauptverbrechen bezeichnet hatten, konnten deren Anhänger daraus die Meinung schöpfen, alle deutschen Soldaten seien Verbrecher gewesen. Unter der Herrschaft des Bundesverfassungsgerichts dürfte eine Bestafung einer solchen Äußerung dann wenigstens wegen nicht beweisbaren Vorsatzes nicht mehr gelingen. Eine Vertiefung erübrigt sich deshalb.